laut.de-Kritik

Wo ist Alice Schwarzer, wenn man sie mal braucht?

Review von

Früher, in den guten alten Tagen, gab es noch diese Schublade 'Sekretärinnenmusik'. In Zeiten von Political Correctness und Shitstorm muss man vorsichtiger sein mit derart diffamierenden Zuweisungen. Untadelige Sekretärinnen mit Maite Kellys "Wie Ich Bin" in Verbindung zu bringen, könnte #aufschrei nach sich ziehen.

"Ich war echt am Ende", gesteht Maite im Opener "Weil Du Mich Lässt", und genau das gilt am Ende auch für den Hörer. "Du sagst meinen Namen / doch du weißt nicht, wer ich bin" mault ein unverstandenes Hascherl minutenlang in "Du Glaubst Du Kennst Mich". Ja, dann erzähl's ihm doch endlich!

Maite Kelly-Musik will Sex And The City sein, schafft es aber nicht mal in den Circus Halligalli. Als "Cowgirl" vermisst sie den Speck in den einsam am Lagerfeuer gegarten Bohnen: "Wo sind die Cowboys / wo sind sie hin / kannst du mir sagen / wo ich n' Cowboy find?" - das Ganze nicht etwa als fröhlicher "Ich Will 'Nen Cowboy Als Mann"-Gitte-Schlager umgesetzt, sondern zutiefst ernsthaft und getragen mit hechelnder Akustikgitarre eingesungen.

Doch es geht noch bedrohlicher. Nina Hagen adaptierte einst pfiffig den Rita Pavone-Gassenhauer "Wenn Ich Ein Junge Wär". Maite Kelly meint es gefährlich ernst mit "Wenn Ich N' Mann Wär": "Jungs, schnallt Euch an!" droht sie. Huh! Ein dunkel gepresstes "Yeah!" erschreckt die Zuhörer/innen, bevor die vorlaute Kirmesgitarre in einen mit schon verkrusteter Farbe gefüllten Rocktopf platscht.

"Wenn ich ein Mann wär / dann würd' ich die Frauen auch nicht verstehen", postuliert Maite. Der Mief spinnwebbehafteter Klischees durchzieht sämtliche Tracks und vermittelt ein Mann/Frau-Bild, das einfach nur fassungslos zurücklässt. Auch weil Miss Kelly diese ganzen Plattitüden ernsthaft und frei von Humor anbietet. Wo ist Alice Schwarzer, wenn man sie mal braucht?

Dazu versucht sich Maite in heavy angerauhtem Rockgesang, der mit seinen wahrhaft außerirdischen Phrasierungen wohl nur die Spice-berauschten Gäste einer Jabba The Hutt-Party in Verzückung setzen dürfte. Mit Singsang in einfachen Tonlagen funktioniert das Ganze annehmbar, doch wenn die immerhin musicalgestählte Maite die hohen Töne erklimmen will, nimmt sogar das leidgeprüfte Phantom der Oper Reißaus. Und Gottlieb Wendehals kocht vor Verzweiflung glatt sein Gummihuhn.

Baron Frankenstein, der sinistre alte Monstermacher, führt mittlerweile als Schlagerproduzent seine unaussprechlichen Experimente fort. Aus dampfenden Petrischalen und unheilvoll blubbernden Reagenzgläsern braut er sein teuflisches Destillat zusammen, aus dem rund 99 % des heutigen Schlagers besteht.

Ein bisschen Bewährtes hiervon, eine Prise Abgeschmacktes davon, vom meisten zu wenig und von manchem zu viel, an alles noch etwas Helene Fischer und Andrea Berg - das dampft nicht nur giftgrün, sondern ätzt dem Pop sämtliche Geschmacksknospen von der Zunge. Bis Ende 2012 moderierte Maite im Kulturkanal ZDFneo die sogenannte 'Dokutainmentreihe' "Da Wird Mir Übel". Einen Schlusssatz zum Album verkneife ich mir deshalb.

Trackliste

  1. 1. Weil Du Mich Lässt
  2. 2. Du Glaubst Du Kennst Mich
  3. 3. Sommer Sein
  4. 4. Besser Ohne Mich
  5. 5. Cowgirl
  6. 6. Wenn Ich N' Mann Wär
  7. 7. Du Kannst Fliegen
  8. 8. Stark
  9. 9. Die Sonne Geht Auf
  10. 10. Virtuelle Welt
  11. 11. Ich Schau Auf Den Boden
  12. 12. Das Beste
  13. 13. Unendlich

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100 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    JaDeVin
    Ich muss da auch ein wenig relativieren. Nochmal ganz klar:
    Wer NICHT selbstverschuldet dick/fett ist wird per se aus meiner Kritik ausgeklammert.
    Und auch die angedickten Feinschmecker die halt gerne kochen und essen und ungerne Sport machen, ok - kulinarischen Hochgenuss kann ich nachvollziehen, das ist auch Kulturgut. So jemanden piesacke ich halt nur mit einem Lächeln.
    Meine Kritik bezieht sich überwiegend auf die RTLII-Fetten, die Fast-Food-Fetten, die Notorisch-Faul-Fetten, die die sich keine Geadanken um ihre Ernährung machen und ständig scheiße fressen-Fetten, etc.
    Dulfi
    Ich bin überhaupt nicht sexistisch, nicht im Ansatz, jegliches sexistische Kommentar hier ist extra völlig überhöht und pure Ironie/Sarkasmus und teils auch Gesellschafts-Kritik, zu hoch für Dich?
    Und auch Toleranz wird bei mir sehr groß geschrieben, die sich Masse der Bücklinge jedoch kann man nicht tolerieren, das ist Massen-Menschen-Haltung und die Herde findet das auch noch gut, da muss man mit Härte urteilen.
    Dass Du mir so etwas fieses wünscht lässt tief blicken, komm klar.

  • Vor 11 Jahren

    @akademiker («

    Ich bin überhaupt nicht sexistisch, nicht im Ansatz, jegliches sexistische Kommentar hier ist extra völlig überhöht und pure Ironie/Sarkasmus und teils auch Gesellschafts-Kritik, zu hoch für Dich? »):

    neiiiin, überhapt nicht...du reduzierst doch jede frau nur auf ihr äußeres und kommentierst dieses allzeit ungefragt. homophobe tendenzen kommen noch dazu gepaart mir thesen die auch von pro-nrw kommen könnten...du bist wirklich eine gruselige gestalt.

  • Vor 11 Jahren

    Sodi
    Du lügst einfach mal wieder so ins Blaue. Ich reduziere nur diejenigen Frauen auf ihr körperliches die sich von selbst quasi ausschließlich darüber darstellen - wahre Künstlerinnen verehre ich wie Göttinen. Und mit extremen Positionen, egal in welche Richtung habe ich nichts am Hut, Du alter Sali-Fan.