laut.de-Kritik
Unser Mann für den ESC ist immerhin radiotauglich.
Review von Lena BayerDeutschlands Mann für den ESC veröffentlicht wenige Wochen vor seinem großen Auftritt in Turin eine Neuauflage seines 2021er-Albums "Anonymous Colonist". Dieses verdient das Prädikat radiotauglich, viele Songs klingen relativ ähnlich. Schade, denn eigentlich singt und rappt Malik Harris gar nicht so schlecht.
"Rockstars", Opener und Anlass für diese Neuauflage, handelt von den guten alten Zeiten, "als wir keine Sorgen hatten". Nach denen sehnt sich Malik Harris: "Ich wünschte, es gäbe einen Weg zurück zu träumen" und schluchzt: "Jetzt habe ich Angst davor, ein Niemand zu sein". Hört sich süß an, doch sein gerappter Part in der zweiten Strophe steht ihm noch besser. Auch wenn "Rockstars" zunächst nach einer soliden Radionummer klingt, bleibt es einer der aufregendsten Tracks des Albums und könnte als Hymne durchgehen.
Auf die Melancholie von "Rockstars" folgt das Feelgood von "Say The Name". Für die positiven Vibes sorgen Klavier, Trompete und ein lässiger Rappart zu Beginn. Vor allem die Trompete in Kombi mit dem Rap macht was her. An sich eine in sich stimmige, runde Nummer. Beim nächsten Song irritiert der Name "Bangin' On My Drum". Denn abgesehen vom kurzen Trommelschlag zu Beginn, der an den Chartsong "Only Thing We Know" (Alle Farben, YouNotUs, Kelvin Jones) erinnert, gibt's die Drums nur vereinzelt im Hintergrund zu hören. Stattdessen klingt der Uptempo-Song mehr nach einer Dancenummer.
"Dance" wirft vor allem die Frage auf, an welche fünf Songs der Track am meisten erinnert. Blöd, denn das lenkt vom Tanzen ab. Dabei zielt der Bayer auf etwas anderes ab: "Am schönsten wäre es für mich, wenn ich dafür sorgen könnte, dass den Hörern egal ist, was um sie herum passiert". Ups. Der mitschwingende 80s/90s-Vibe sorgt immerhin für etwas Erfrischung. "Time For Wonder" hingegen beginnt etwas schwermütig, entwickelt sich aber zum absoluten Radiosong. Hier kickt ähnlich wie bei einigen anderen Songs der Rappart mehr. Die Backgroundvocals hingegen nerven.
"Ich gebe meinen Glauben nicht auf / Dass wir eines Tages Hand in Hand gehen werden / Es ist noch nicht zu spät / Um unsere Fehler zu akzeptieren / Und unsere Wege zu ändern." Die Black Lives Matter-Hymne "Faith" beginnt mit einem soften Klaviereinstieg, steigert sich in der Mitte und bleibt ansonsten aufs Wesentliche beschränkt: Maliks eindringliche Worte. Ob der Glaube Berge versetzen kann? Naja, zumindest katapultiert dieser in den Dschungel: "Welcome To The Rumble" baut sich melodisch langsam auf und steigert sich ohne große Umwege zum Finale. Das haut gut rein und liefert die stärkste Nummer des Albums.
"Running Through The Dark" bietet soundtechnisch eher einen langweiligen Spaziergang durch die Dunkelheit. Dann doch wieder "Home". Vier sehr lange Minuten später, "When We've Arrived" gibt's zur Belohnung immerhin abwechslungsreichere R'n'B-Vibes. "Crawling", "Like That Again" und "Last Curtain" ähneln zu sehr den vorangegangenen Tracks, da verflacht das Album zusehens. "Anonymous Colonist" endet mit "Rockstars - YouNotUs Remix" - das Original wirkt wesentlich authentischer.
Das Schlussfazit fällt leider genauso nüchtern und eintönig wie das Album selbst aus. Schlecht hört sich keiner der Songs an, doch Variation und Experimentierfreude fehlen.
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