laut.de-Kritik
Ein Songwriter abseits des trügerischen Neonlichtes.
Review von Artur SchulzEs hilft nichts: ein Text über Marc Cohn hat gefälligst mit dem unsterblichen Mega-Hit "Walking In Memphis" zu beginnen. Das liegt allerdings schon eine ganze Weile zurück, wir schreiben das Jahr 1991. Doch wirklich zurückgezogen hat sich der Songwriter nie, er ist einfach nur erheblich sparsamer mit neuen Veröffentlichungen als viele Kollegen. Zwischen "Burning The Daze" (1998) und "Join The Parade" (2007) liegt immerhin ein knappes Jahrzehnt. Und natürlich: ein weiterer Hit vom "Memphis"-Kaliber war seit ganz damals nicht mehr dabei.
Cohns aktuelle Songs sind ein Rückgriff auf persönliche Favoriten der beginnenden siebziger Jahre. Erfreulicherweise ist "Listening Booth: 1970" nicht eines dieser sattsam bekannten und oft völlig überflüssigen Cover-Alben. Wie bereits von seinen bisherigen Outputs gewohnt, lebt die Auswahl der präsentierten Songs von der sehr persönlichen, ja schon intimen Herangehensweise des Sängers.
Es gibt alte Titel, aus denen kann man einfach nichts Neues oder gar Spannendes heraus holen - meint man. Einer davon ist die ohnehin schon (zu) oft gecoverte "Wild World" Cat Stevens', das bei Cohn als Opener fungiert. Und Überraschung: dank der schlichten und spartanischen Instrumentierung erhält die Nummer eine mehr als nur angenehm und spannend klingende Auffrischung. Ähnlich verhält es sich mit "Maybe I'm Amazed" aus der Feder Paul McCartneys.
"No Matter What" (Badfinger) präsentiert dank Gaststar Aimee Mann einen reizvollen Hör-Kontrast zu Cohns Gesang. Paul Simons "The Only Living Boy In New York City" wandert durch eine Nacht, die abseits liegt von aufdringlich-trügerischem Neonlicht. Dafür kreuzt Van Morrison seinen Weg - und geleitet Cohn "Into The Mystic". Der Künstler arbeitet niemals mit dem Vorschlaghammer. Zielsicher und behutsam geführte Feilen und Spatel sind das Werkzeug, mit dem Cohn vorsichtig ansetzt, da und dort eine Note verändert, um den jeweiligen Song in ein neues Licht zu rücken.
Marcs Stimme klingt 2010 deutlich tiefer, sonorer und rauer als in früheren Jahren. Dem Klangbild kommt das sehr zugute. Cohns Welt war schon immer erfüllt von Melancholie und Nachdenklichkeit, was beim Künstler aber keine Masche darstellt, sondern vielmehr in den Erfahrungen frühester Jugend wurzelt. Kein Wunder also, dass gerade Songs aus dieser Zeit für ihn etwas ganz Besonderes und Persönliches darstellen. Sowieso bieten lebensgereifte Herren oft besonders intensive Vorstellungen. Kein Wunder also, dass sich in Produzent John Leventhals Referenzliste auch der Name Johnny Cash findet.
Diese doppelte Patina - in Sachen Künstler und Produktion - macht "Listening Booth" zu einem unterhaltsamen Hörstück für Genießer fernab jeglichen Charts-Getrommels und flackernder Promotion-Videos. Song und Sänger stehen im Vordergrund. Und so ganz nebenbei dokumentiert die Auswahl unterschiedlichste Stilarten der populären Musik während der Übergangszeit zwischen Flower Power-Ära hinein in die stark rock-orientierte Phase der siebziger Jahre.
3 Kommentare
Eigentlich ist der Typ ja ein gnadenloser Langweiler, aber das Album hat wirklich ein paar lichte Momente. Neben dem wirklich guten "The only living boy...", das man wahrscheinlich nicht mal in ner Minimal-Electro-Version kaputt kriegen würde, kann man noch "New Speedway Boogie" rausheben. Lebt vor allem durch die Bluegrass-Sounds aus der Klampfe von Jim Lauderdale und ist ein wunderbar cooles Grateful Dead Cover. Ansonsten eben einige Filler und zu viele Standards.
ach, wer braucht denn hits?
ich fand auf der selbstbetitelten "silver thunderbird" auch geiler als "walking ..."
muss in die neue mal reinhören.
Ich fand Cohn eigentlich immer gut. Die Letzte ("Join the Parade") war klasse, ging aber (mal wieder) total unter. Ob ich allerdings ein ganzes Coveralbum von ihm brauche, weiß ich nicht.