laut.de-Kritik

In diesem Album hat jeder Takt Substanz.

Review von

Alle anderen sind sonntags mit ihrem Lieblingsmenschen zusammen. Alle. So lautet die Schleife im Kopf von Marina Diamandis lyrischem Ich: "Everybody Knows I'm Sad". Marina hat sich vor geraumer Zeit die Diamonds im Namen gestrichen, wandelte 2019 ihren Sound, um 2021 wieder zu ihrem Trademark-Style zurück zu finden. Unterdessen hat sie nach langer Zeit die Plattenfirma gewechselt, sich mehr Freiheit heraus verhandelt. Mit "Princess Of Power" legt sie nun ein musikalisch standfestes, tolles Album frei von jeglichen Füllseln vor, jeder Takt hat Substanz, musikalisch gesehen.

Die Lyrics halten damit nicht zu 100 Prozent Schritt, so tauchen gerade in der Vorab-Single "Cuntissimo" assoziative Versatzstücke auf, die nicht so wirklich einen runden Text ergeben. Referenzen mal auf Filmfiguren, mal auf eine reale Schauspielerin, wechseln mit Self Empowerment-Floskeln wie "your energy is precious" und unbeholfenen Illustrations- und Metaphern-Versuchen ("a glass of ice-cold champagne"). Eine Geschichte erzählen auch handwerklich besser getextete Stücke wie "Metallic Stallion" nicht. Das Ausbreiten von Gefühlen in der ich-Perspektive verdrängt Storytelling, als seien die Lieder 13 Folgen aus der Kolumne einer Frauenzeitschrift.

Nimmt man alle diese Songs zusammen, entstehen jedoch durchaus eine Geschichte und ein rundes Bild. Es ist die Geschichte einer älter werdenden Person, der ihr biologisches Alter nicht anzusehen ist und deren Gedanken und Verhalten sich von denen von Teens und Twens kaum unterscheiden. Wenn es einen wesentlichen Unterschied gibt, dann liegt er in der Erfahrung, der größeren Lebenserfahrung. Sie macht vorsichtiger, zurückhaltender. Das Leiden unter Selbstzensur, einer Schere im Kopf, weckt dann eine Sehnsucht nach der Unbekümmertheit der Pubertät. Eine bestimmte Erwartung an eine reifere Person zu richten, grenzt diese unnötig ein, wenn sie ihren dauerhaften Partner, ihren Lebensmittelpunkt und ihren Stil noch nicht gefunden hat, hingegen viel mehr in Träumen ("Metallic Stallion"), Fantasien ("Rollercoaster", "Digital Fantasy"), verstreichenden Chancen ("Everybody Knows I'm Sad"), Ängsten ("Je Ne Sais Quoi") lebt und obendrein verkannt wird ("Butterfly").

Diese hintergründigen Punkte bettet Marina mit mehrheitlich treffsicher gewählten Worten in einen Reigen von Electropop-Unterspielarten ein: Richtet sich manche Klassik-angefärbte Art-Pop-Einlage bei "Rollercoaster" ans Publikum der aktuellen Werke von Sparks oder Sophia Kennedy, bounzt "Cuntissimo" teils technoid, teils im Dua Lipa-Fahrwasser. In der Hälfte der Lieder zitiert sich Marina selbst in Bezug auf ihre alten Platten "The Family Jewels", "Electra Heart" und "Froot". So handelt "Butterfly" zwar vom Entpuppen einer Raupe in einen Schmetterling, als Chiffre fürs Erwachsenwerden, doch ein anderes Tier, der Frosch von "Hermit The Frog" aus Marinas Anfangszeit, kommt sofort in den Sinn.

"Metallic Stallion" funktioniert sicher als Club-Soundtrack, "I <3 You" lässt mit Madonna Richtung "Holiday" tanzen und streicht uns die Rückbesinnung auf die Achtziger ganz dick aufs Brot, "Digital Fantasy" als Belag so klebrig-zäh wie Kaugummi. "I was so lovestruck", rechtfertigt sich Marina. Pappt der Verführer so an der Seele wie Toblerone an Zähnen, dann darf oder muss natürlich auch die Musik pappsüß den Verstand penetrieren.

Trackliste

  1. 1. Princess Of Power
  2. 2. Butterfly
  3. 3. Cuntissimo
  4. 4. Rollercoaster
  5. 5. Cupid's Girl
  6. 6. Metallic Stallion
  7. 7. Je Ne Sais Quoi
  8. 8. Digital Fantasy
  9. 9. Everybody Knows I'm Sad
  10. 10. Hello Kitty
  11. 11. I <3 You
  12. 12. Adult Girl
  13. 13. Final Boss

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3 Kommentare

  • Vor 7 Stunden

    4??? Ich mag ihre Musik eigentlich wirklich gern aber kann mit diesem Album überhaupt nichts anfangen. Ich hatte noch Hoffnung auf ein paar gute songs, nachdem die Vorabsingles alle ziemlich schwach waren, aber bis auf den Opener bleibt überhaupt nichts hängen. Die Lyrics sind teilweise absolut furchtbar (besonders 'Hello Kitty' und 'Final Boss'). Wird leider abgelegt unter 'absolut egales Album'.

  • Vor 6 Stunden

    Ihre charakteristische Stimme trägt die Songs mit einer schönen Leichtigkeit. Allerdings wirkt das Album stellenweise etwas überproduziert, und nicht jeder Song erreicht die Tiefe früherer Werke.

  • Vor einer Sekunde

    Das Album ist im vergleich zum Vorgänger überhaupt nicht gut. Wieder ähnlich seelenlos mit ungelenken Texturen. Schade dabei habe ich gedacht das sie endlich wieder Fuß fassen wird.

    Total belanglos, Songs rauschen an mir vorbei und Lieder wie „Butterfly“ nerven.

    Die Bewertung 4 von 5 ist m. E. zu hoch gegriffen. Leider.