laut.de-Kritik
Rap von einem anderen Stern.
Review von Robin SchmidtDass Marteria in seiner beispiellosen Karriere schon immer abseits der Norm gehandelt hat, weiß man spätestens, seit er seinen grünen Freund Marsimoto erschaffen hat. Als ich las, dass das neue Marteria-Album "Roswell" nach dem Ort benannt ist, an dem 1947 ein Ufo erschien, stellte ich mir als erstes die Frage, ob es dort wohl auch "Lila Wolken" oder sogar "Kids" gibt? Die Antwort auf diese Frage ist mit einem doppelten Ja zu beantworten. Einerseits ist Roswell Rostock – Marterias Heimatstadt ("Aus Area 51 wird Marteria 51, aus Roswell wird Rostock."). Andererseits hat Marteria jede Menge Hits auf Roswell untergebracht.
"Aliens" fegt zu Beginn gleich mal im großen Stil über die Erde hinweg. Marteria trifft hier auf einen äußerst rhythmischen Beat und auf Teutilla alias Arnim, Leadsänger der Beatsteaks. Dieser hämmert in der Hook ein paar Mal "Wir sind gottverwandte Aliens" ins Mikrofon, und fertig ist die Ode, die sich inhaltlich an alle Außenseiter richtet.
Bevor Marteria seinen Außerirdischen-Trip beendet, heißt es noch "Scotty Beam Mich Hoch". Eine Aufforderung, die ernst genommen werden sollte. Die nervige Hook erinnert an eine Melodie aus einem Kinderlied und sollte daher schnell aus der Galaxie verbannt werden. Das bleibt allerdings auch der einzige Verfehlung des Albums.
Viel zu hohe Qualität besitzen schon die Instrumentals der einzelnen Stücke. Einmal mehr verantwortlich dafür zeichnen "The Krauts". Das Produzenten-Team, das auch schon die beiden Teile von "Zum Glück in die Zukunft" musikalisch untermalte, bemüht auf "Roswell" erneut ein buntes Potpourri an ergreifender Musik. Hip Hop-Einflüsse wie G-Funk oder Boom-Clap-Sound treffen auf Pop, viel Bass trifft auf viel Verzerrung. So entsteht ein abwechslungsreiches Soundbild.
Nicht nur das vielseitige Soundbild macht die Platte attraktiv, sondern auch die verschiedenen Themen, über die sich Marten Laciny auslässt bzw. auf die er sich einlässt. Persönlich geht er auf "Tauchstation" und nimmt eine Abrechnung mit seinem Alkoholkonsum und dem Berliner Nachtleben vor ("Irgendwas stimmt nicht, wenn die Lampen so glühen, dass jedes Insekt der Stadt dich mit Handschlag begrüßt").
"Das Geld Muss Weg" behandelt sein gespaltenes Verhältnis zu Materiellem ("Bin mittlerweile wie dein Hund, hab ne große Schnauze, nenn mich Julius C und A, ich kam, sah und kaufte") und die "Skyline Mit Zwei Türmen" widmet Marteria seiner Zeit als Model in New York ("Hab diesen Modeljob, komm mir wie ein Trottel vor, Fake-ID, Copyshop, Busta Rhymes, Doppelkopf"). "Große Brüder" wiederum erzählt aus seiner Rostocker Vergangenheit ("Aufgewachsen in der Stadt, in der das halbe Jahr die Hände frieren").
Auch politisch greift Marteria ins Geschehen ein. In "El Presidente" äußert er Kritik an Staatsoberhäuptern, die ihre politischen Aufgaben nicht ganz so ernst nehmen ("Depressiver Clown, stehst unter Strom, doch pinkelst gegen diesen Zaun"). Mehr Empathie und Toleranz fordert er auf "Links". Den Abschluss des Albums bildet "Elfenbein", eine Zusammenarbeit mit Yasha und Miss Platnum. Die drei blicken durch die Augen eines Geflüchteten auf das Hier und Jetzt ("Ich bin ein großer Elefant, ramm meine Stoßzähne in dein hochgeliebtes Land, eure primitiven unteren 10.000 sehen schwarz für den Jungen, der alles gibt für ein Stück Brot in seiner Hand").
Textlich überrascht hat mich "Blue Marlin". Der Song dreht sich um selbigen Fisch und die Anglerliebe Marterias – allerdings in einer sehr nachdenklichen Art und Weise ("Ich wünsch dir Glück auf deiner Reise, sei nicht dumm, beweg dich leise"). Auch "Cadillac" ist mit einem Augenzwinkern zu hören und beschreibt das Leben zwischen Höhenflug und Tiefenrausch.
"Roswell" nimmt verschiedenste Blickwinkel auf die Gesellschaft ein. Marteria setzt nahezu alle Themen in einen größeren Kontext und regt zum Nachdenken an. Wer das Album hört, der wird zwischen größtmöglicher Freiheit und beängstigender Beklemmung schwanken, vor dieser Platte gibt es kein Entkommen. Sollte es doch mal jemand schaffen, muss er wohl eine lange Reise zurücklegen. Möglicherweise bis nach Roswell.
30 Kommentare mit 7 Antworten
Cover sieht billig aus der Inhalt ist zum Glück besser.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
hört sich gerade super an !
Für mich zeigt die Kurve seit ZGIDZ I nach unten. Die Lässigkeit ist weg.
Sehe ich auch so ZGIDZ I 5/5, ZGIDZ II 3/5, Roswell Naja gerade noch so 2/5 schade
Bullshit. 4/5 mindestens.
@Robin Schmidt: Blue Marlin - textlich überrascht? - Hemingway - Der alte Mann und das Meer! Ich glaube Marsi hat's gelesen. Album 5/5