laut.de-Kritik
Seicht und sentimental mit ein paar rockigen Ausnahmen.
Review von Josephine Maria BayerAlt wie ein Baum wollte er werden - und ist er geworden: Maschine blickt mit "Große Herzen" auf seinen langen Werdegang zurück. Das Album, das zwischen den Jahren als Doppel-CD erschienen ist, wirkt nachdenklich und ein wenig melancholisch . Es ist das vierte Soloalbum des ehemaligen Puhdys-Frontmannes Dieter "Maschine" Birr. Von rockig über nachdenklich bis kitschig-fad findet sich hier eine bunte Mischung an introspektiven Songs, mit denen Birr seine biografischen Meilensteine verarbeitet.
Leider bietet der Einstieg auf CD 1 mit seichten Schlagertönen und Postkartenspruch-artigen ("Halte Durch") Songtexten keine großen musikalischen Offenbarungen. Dabei will die Maschine mit diesem Album nach den Corona-bedingten Konzertausfällen und Lockdowns eigentlich wieder richtig Gas geben. Mit Songs wie "Magisches Licht", das mit Streichern, Glöckchen und Harfenbegleitung überquillt, gibt uns Maschine stattdessen die volle Dröhnung Kitsch: "Du möchtest fliegen zum Regenbogen und immer höher in dieses magische Licht". Auch das gefühlige "Große Herzen", das gleich zweimal vertreten ist, lässt sich lediglich in der Rock-Variante ertragen.
Dass die oft eintönige Gitarrenbegleitung beim Großteil der Tracks oft allzu sehr aus der Fertigtüte klingt, ist eigentlich schade. Denn Birr wagt sich inhaltlich an Themen, die so nur selten in der deutschen Musiklandschaft zu hören sind und die das ermüdete Ohr nicht ganz erreichen. Er singt über das Tabuthema "Sternenkinder", feiert Roadies, die "Heinzelmännchen des Rock'n'Roll" und hält in "Legende Aus Budapest" einen Nachruf auf seinen Freund und Musikerkollegen Mecky von der ungarischen Band Omega (Das Outro dieses Songs ist übrigens eines der wenigen Dinge, die Maschine mit
Rapper Ye gemeinsam hat. Auch dieser sampelte Omegas Hit "Gyöngyhajú Lány" (Perlen Im Haar) im Outro von "New Slaves") Ein bisschen mehr Mühe bei den Arrangements hätte diese Songs zu echten Fundstücken gemacht.
Doch das Album enthält auch Überraschungen. Denn an einigen Stellen legt Maschine los, wird richtig rockig. "Weiter Weiter" und "Das Warten Ist Vorbei" spielen mit unerwarteten Heavy Metal-Riffs, und auch die Neuaufnahme des Stadionhits "Hej, Wir Woll'n Die Eisbären Sehn" heizt ein.
Eine weitere Besonderheit von "Große Herzen" ist Maschines kritische Auseinandersetzung mit der DDR. "Mein Freund Aus Alten Zeiten" handelt von einem Freund, der vor dem Bau der Mauer mit seiner Familie nach West-Berlin geflohen ist. In "Du Braver Soldat" hinterfragt der Ostrocker das Handeln und die Motive eines DDR-Grenzsoldaten, ganz im Wolf Biermann-Stil. Der Track entstand bereits kurz nach dem Mauerfall und wurde Anfang der 90er mit den Überbleibseln der damals frisch aufgelösten Puhdys unter dem Namen "Maschine & Männer" eingespielt. Galten die Puhdys lange als musikalisches Aushängeschild der DDR, waren sie den Wendejahren dennoch nicht gegen einen kritischen Schulterblick resistent. Wenn es um Jam-Sessions mit anderen Musikern geht, scheint in diesem Album die alte Grenze allerdings weiterhin zu existieren, denn sämtliche Feature-Acts auf der Platte (Toni Krahl, Goitzsche Front und Martin Hofmann) sind ostdeutsch.
Songs wie "Bessere Tage" und "Das Warten Ist Vorbei" erzählen von den harten Zeiten, in denen Corona die Welt regierte und von der Freude, endlich wieder live zu spielen. Maschine kommt ins Grübeln über die Endlichkeit des Lebens, der eigenen Band ("Wenn Ich Noch Einmal Leben Könnte") und der Welt wie man sie kannte. Doch von keiner dieser Limitationen will er sich einschränken lassen. The Show must go on.
Mit "Ewig Leben" und "Weiter, Weiter" geht Maschine noch einen Schritt weiter als das, was sich die Puhdys mit "Alt Wie Ein Baum" wünschten. Jetzt geht es darum, älter als ein Baum zu werden, dem Sensenmann gänzlich zu entfliehen: "Ich hatte schon 'zig mal Geburtstag. Mein Leben zieht sich endlos hin und wenn der Sensenmann mich holen will, dann sag ich: 'Ich hab jetzt keine Zeit' und lebe einfach weiter."
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