laut.de-Kritik
Ein kurzes Niederknien vor der Hantelbank.
Review von Dani FrommDas wars dann also: Massiv trennt sich von Sony Music. Oder umgekehrt. Der Traum von der Karriere mit sicherem Major-Deal im breiten Kreuz ist jedenfalls ausgeträumt. Bedeutet das gleichzeitig das Aus für den Wahl-Berliner Brocken aus der Pfalz?
Zumindest ein Versprechen aus einer Presseerklärung vom September lösten Massiv und sein neuer Labelpartner Fight4Music inzwischen ein: "Das Album wird garantiert zu 100% am 6. November 2009 veröffentlicht." Wie siehts mit dem Rest aus? Massiv gelobt "gute, ehrliche und harte Musik, die aus dem Herzen Deutschlands spricht".
Versuchte er sich auf dem Vorgänger statt als die prollige Dampfwalze aus seinen Anfangstagen noch als halb-nachdenklicher Straßenjunge, scheint er für seinen Handarbeits-Ghettotraum wieder zu alter Brutalität zurück gefunden zu haben.
Abaz sorgt von Beginn an für eine mächtige Beat-Kulisse. Bedeutungsschwangere, dunkle Streicher schwingen sich bereits im Intro zu üppigem Bombast auf. Massiv klingt bei seinem Abstecher in die "Sony Rechtsabteilung" grandios wütend - und wieder höllisch hungrig: Emotionen, die einen Rapper bisher selten zum Nachteil gereichten.
Klar, "Welcome To The Ghetto", "Original Massiv" oder "Gangster Rap Tag Team" in Zusammenarbeit mit Blutsbruder Beirut dreschen die üblichen Straßen-Phrasen, ballern wahlweise "mit der Semi-Automatik in dein' Arsch" oder aber gleich mit bloßer "Faust gegen dein Kinn". Inhaltliche Offenbarungen stehen nicht zu erwarten.
Trotzdem lässt sich nicht leugnen: Was der selbsternannte Anti-Pop-Titan hier kredenzt, ist "Testosteron-Rap", in der Tat "astreiner Stoff". Massiv hat sich, das zeigte bereits sein letztes Album, enorm gesteigert. Vokabular und Grammatik sorgen längst nicht mehr für Straucheleien mittenmang hinein in die unfreiwillige Komik.
Kollege Basstard lässt in "Eiszeit" allein mit der Bosheit seiner Stimme die Sonne gefrieren. Einen Kollabo-Track mit einem Kaliber wie Kollegah "Oberarme Angespannt" zu nennen: mindestens ein so großer Wurf wie der Titel "Guck Wie Du Guckst". Da darf man schon mal niederknien vor der Hantelbank.
Ach, hätte Massiv die Härte doch über die komplette Distanz gewahrt! "Erst jetzt werden deutschem Rap die Schlaftabletten abgesetzt", heißt es noch in "Original Massiv" - doch wozu? Um dem gebeutelten Genre wenig später in "Falls Es Nicht Klappt" das Pianokitsch-Kissen ins Gesicht zu drücken?
Ich bitte Euch, Jungs! Robin Becks "First Love" wird - das zeigt "Sternenstaub" - auch auf Mickymaus-Geschwindigkeit gepitcht nicht weniger schauderhaft. Die schmalztriefende R'n'B-Hook macht dem Track vollends den Garaus.
Gleiches gilt für Sennas salbungsvollen Poesiealbum-Part ("Du musst auf dein Herz hören" - ach, was! Echt?) in "Du Kannst Diesen Weg Nicht Alleine Gehen". Was zum Henker soll das? Bin ich hier unter Fleischfressern - oder auf der Pyjamaparty?
Die Zusammenarbeit mit Sido in "Das Ist Die Straße" hinterlässt keinerlei bleibenden Eindruck. Überraschenderweise macht in der Welt der brennenden Müllkübel ein Mähne schüttelnder Beirut (hübsch durchgehaltenes Bild in "Wir Sind Fleischfresser", übrigens) eine deutlich imposantere Figur.
Die Beat-Auswahl: nicht innovativ, aber äußerst stimmig. Streicher dominieren, hier und da werden gescrewte Zeilen eingestreut. Mancherorts geht es opulent, an anderer Stelle (so in "Guck Wie Du Guckst" - ja, ich wollte den Titel einfach noch einmal nennen!) schlicht schnörkellos zu.
Tango & Cash stricken den Großkatzen einen finsteren Synthie-Dschungel. Auch die Claps, simplen Tonfolgen und muskulösen Bässe in "Oberarme Angespannt" gehen auf ihr Konto. Brisk Fingaz kombiniert für den Titeltrack gekonnt Filigranität und Wucht. Das überstrapazierte Stilmittel hochgepitchtes Vokal-Sample wollen wir angesichts dessen mal nicht krumm nehmen.
Wohl aber darf man DJ Rocky das Schmachtgedudel und den ausgelutschten Regen im bereits geschmähten "Du Kannst Diesen Weg Nicht Allein Gehen" verübeln. Pfui, Spinne. Da fehlen ja nur noch die Chimes!
"Ich irritier' die Kritiker", "ihr habt mich unterschätzt", rattert es aus Intro und Eröffnungsnummer. Wo Druck und Energie Massivs Stimme überschnappen lassen, als wäre sein Kehlkopf ein Augapfel - und der so verdreht, dass nur noch das Weiße zu sehen ist - da stimmt das sogar.
179 Kommentare
WELCOME TO THE GHETTO MAN HIER WIRD AUF DER STRASSE GEDEALT
HIER GIBTS N LIDL ABER KEINE SCHICKIMICKIBOUTIQUE
schrei doch nicht so.
Von Danni 3 für Massiv, klingt fast wohlwollend. Bin gespannt drauf, aber wenig hoffnungsvoll.
Tun sie auch nicht es wird einfach nach dem präferierten Genre gefragt .
@Versacker (« Ich behaupte jetzt einfach mal ohne wirklich Bescheid zu wissen das sich wirklich intelligente Menschen nicht auf einzelne Genres beschränken. DAS wäre nämlich wirklich dumm... »):
Das ist eh klar.
steht im regal