laut.de-Kritik

"99 and 1/2 just won't do.": Die lebende Legende gibt 100 Prozent.

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In Mavis Staples begegnet man einer lebenden Legende: Bereits seit den 50er Jahren als Mitglied der Staple Singers unterwegs, blickt sie neben den Soul- und Gospel-Hits, die die Gruppe bis in die 80er hinein landete, auf eine beeindruckende Solo-Karriere zurück. Mit "We'll Never Turn Back" setzt sich Mavis Staples nun ein weiteres Denkmal in den Annalen der Musik. Hier meldet sich eine Zeitzeugin zu Wort, deren Werk eine einzige Demonstration von Unbeugsamkeit, Kraft und ungebrochenem Optimismus darstellt. Mavis Staples' Botschaft transportiert die Hoffnung auf eine bessere Welt. Ist das noch zeitgemäß?

Ry Cooder, der "We'll Never Turn Back" produzierte, verpasst zahlreichen Traditionals ein frisches Gewand, ohne ihnen ihre Erdgebundenheit zu nehmen. Der Respekt vor dem Ausgangsmaterial bleibt nicht nur spürbar, er steht zu jedem Zeitpunkt im Vordergrund. Songs wie der Titeltrack, eröffnet von einer einsamen, vibrierend scheppernden Basssaite und Gesang, behalten trotz überarbeitetem Arrangements ihren archaischen Charakter und scheinen über Wurzeln bis zum Erdmittelpunkt zu verfügen. Repetitive Strukturen, die immer weiter ausgeschmückt werden, verströmen Sicherheit und Entschlossenheit.

"Down In Mississippi" heißt uns ein schwerer Bluesrhythmus willkommen, dem der Backgroundgesang von Ladysmith Black Mambazo, einem Chor aus Südafrika, zusätzliche Tiefe verleiht. Erdig und handgemacht der Sound, zu dem der Blick stolz und ohne Reue über die eigene Vergangenheit gleitet. Mavis Staples personalisiert traditionelle Lyrics, indem sie ihre Gedanken und Erinnerungen einflicht, und brilliert mit einer Stimme, in der gelebtes Leben, Erfahrung und Weisheit mitschwingen.

Das Duett "In The Mississippi River" greift das klassische Gospel-Konzept des Wechselgesangs auf. Die musikalische Grundlage entstammt auch hier dem Blues: Gitarre und Bass geben den Ton an, die Drums fungieren lediglich als Rhythmusgeber. In "On My Way" korrespondieren in gleicher Weise Leadgesang und Chor, auch hier werden die Harmonien dem Blues entlehnt. Druck- und schwungvoll geht es dagegen in "99 And 1/2" zur Sache. Mavis Staples gibt und verlangt einhundert Prozent. Ihr Ruf nach "Freedom now!" dürfte schwer zum Verstummen zu bringen sein.

Filigrane Gitarren begleiten das melodie-, aber weniger rhythmuslastige "My Own Eyes", in dem Mavis Staples zum Weinen schön ihre eigene Geschichte Revue passieren lässt: "I would tell you no lies, I leave that to the politicians." Dieses Zusatzes hätte es nicht bedurft, um zu verdeutlichen, dass Mavis Staples allem voran eines ist: Durch und durch authentisch und glaubwürdig. In "I'll Be Rested" geht es ebenfalls ruhiger zu. Rys Sohn Joachim Cooder sorgt für flächigere, etwas modernere, dafür weniger bluesige Untermalung. Mit "Jesus Is On The Main Line" setzt eine von einem phantastischen Basslauf getragene Gospelhymne wie aus dem Bilderbuch einen würdigen Abschluss. "Sing Hallelujah and never get tired."

Wenn in "Turn Me Around" gegen Ungerechtigkeit, Hass, Krieg, Intoleranz, Diskriminierung und Unterdrückung angesungen wird, wenn "We'll Never Turn Back" klug und wohlüberlegt zu friedlichem, aber bestimmten Widerstand, zu Beharrlichkeit und Standhaftigkeit aufruft, dann ertönt der Soundtrack des Civil Rights Movements erneut. Dies ist Musik im Sinne Gandhis, im Sinne von Malcolm X und Dr. Martin Luther King. Deren Kampf ist noch lange nicht zu Ende sondern aktuell wie eh und je, und er erfordert hundertprozentigen Einsatz. "99 and 1/2 just won't do."

Trackliste

  1. 1. Down In Mississippi
  2. 2. Eyes On The Prize
  3. 3. We Shall Not Be Moved
  4. 4. In The Mississippi River
  5. 5. On My Way
  6. 6. This Little Light
  7. 7. 99 And 1/2
  8. 8. My Own Eyes
  9. 9. Trun Me Around
  10. 10. We'll Never Turn Back
  11. 11. I'll Be Rested
  12. 12. Jesus Is On The Main Line

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