laut.de-Kritik
Eleganz für Auge und Ohr.
Review von Artur SchulzEigentlich ist es wie immer. Mit sparsamer Gestik steht Max Raabe auf der Bühne, dahinter sein Orchester in mittlerweile altvertrauter Zusammensetzung und Sitz-Platzierung. Wenn schon Special Effects, dann mal hier und da ein dezenter Beleuchtungseffekt. Dennoch bieten der Berliner Sänger und sein Palastorchester dank vorliegender DVD mehr Kurzweil als so manch andere Aufführung, bei der scheinbar der Beelzebub persönlich mit Feuer, Rauch und Donner die Inszenierung leitet.
Das wohlige 'wie immer'-Gefühl wird aber nur vordergründig aufgestellt, um danach manch Doppelbödigem seine Chance zu geben. Ihre jeweiligen Konzertprogramme gestalten Sänger und Orchester stets aufs Neue, und bauen nicht wenige frische Elemente in den Ablauf mit ein. Im Falle von "Eine Nacht In Berlin" greift Raabe häufig auf die zwei in Zusammenarbeit mit Annette Humpe enstandenen Alben "Küssen Kann Man Nicht Alleine" und "Für Frauen Ist Das Kein Problem" zurück. Und siehe da: Die neuzeitlichen Kompositionen harmonieren vorzüglich mit dem Mix aus alten deutschen Gassenhauern sowie ausgewählten Tracks des American Songbook.
"Ich Bin Nur Gut, Wenn Keiner Guckt" versichert Raabe treuherzig nach dem instrumentalen Intro zum Auftakt und hat von Beginn an das Publikum und den Abend fest im Griff. Das Visuelle nimmt gerade bei dieser DVD einen hohen Stellenwert ein. Denn Raabes Credo "Wir machen nicht nur Musik zum Hören, sondern auch Musik zum Gucken" wurde in der Nachbearbeitung bislang noch nie in so üppiger Form präsentiert.
Was im speziellen Fall natürlich höchst dezent und immer songdienlich geschieht. Wie z. B. die zum Opener eingespielten Filmszenen vom elegant gekleideten Sänger auf dem Fahrrad. Der rasch an Berliner Sehenswürdigkeiten vorbei saust, um dann rechtzeitig und höchst entspannt die große Bühne zu betreten. Oder wenn während des Klassikers "Smoke Gets In Your Eyes" eigens gedrehte Szenen einer Tanztee-Gesellschaft mit dem Bühnenauftritt korrespondieren.
Im Verlauf von "Night And Day" finden fröhlich herum tänzelnde CGI-Noten ihren Weg heraus aus Geige oder Trompete. "In Meiner Badewanne Bin Ich Kapitän" überrascht mit dem Klängen von Trompeten, die tatsächlich live in einem mit Wasser gefüllten Zuber gespielt werden. Einen ganz besonderen Zauber vermitteln schlichte von der Decke herabhängende Glühbirnen im Verlauf von "Mir Kann Nichts Passieren". Der gefühlvolle Humpe-Titel zählt dank seines magisch in den Bann ziehenden Refrains zu den beeindruckendsten Nummern des Konzerts.
Natürlich finden sich auch 2014 ironische Raabe-Bemerkungen zwischen den Songs. Wie etwa seine ein ESA-Experiment reflektierende Einführung zu "Ich Kauf Mir 'Ne Rakete": "Sechs erwachsene Männer setzen sich für gut anderthalb Jahre in eine Röhre und tun so, als flögen sie zum Mars. Nur um herauszufinden, wie Menschen reagieren, wenn sie für lange Zeit bei extrem schwankenden Temperaturen und technischen Problemen miteinander auskommen müssen. Eine Reise mit der deutschen Bahn hätts auch getan".
Viel zu gucken, viel zu hören: "Eine Nacht In Berlin" hält sich nicht mit überflüssigen Aufgüssen alter Songs auf. Vielmehr präsentieren das Palastorchester und sein Frontmann eine äußerst kurzweilige Mischung von Liedern höchst unterschiedlichen Epochen, und das mit äußerst stimmigem Resultat.
Der diesmal verstärkte Griff in die optische Trickkiste pfeift auf überzogene Videoclip-Hektik, und unterstreicht dafür den Charakter des jeweiligen Titels unterhaltend und trefflich. Die Bildregie hält die Kameras nicht starr auf die Protagonisten, sondern schwebt häufig verspielt um sie herum. Deren Verliebtheit in die aparte Geigerin Cecilia Crisafulli ist dabei höchst nachvollziehbar.
Angenehm zudem, dass sich Raabe und Orchester nicht des handelsüblichen, oft zu knalligen Neo-Swing heutiger Tage bedienen. Vielmehr setzen die Protagonisten auf lang verschollene Arrangements und geben den Liedern so ihre Würde zurück. "Eine Nacht In Berlin": Eleganz für Auge und Ohr.
2 Kommentare
Find ich im Prinzip gut, aber diese 20ger Jahre Masche ist irgendwann ausgelutscht
endlich mal wieder jemand, der Musik gekonnt präsentiert, die solche Bezeichnung verdient! Nur weiter so, von mir aus gern noch viele Jahre.