laut.de-Kritik

Kitsch? Nicht aus Raabes Munde!

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Am Anfang stand die Erkenntnis: "Küssen Kann Man Nicht Alleine". Zum Partner erwählte sich Annette Humpe Max Raabe, der sofort Feuer fing - natürlich nur auf den musikalischen Bereich bezogen. Im Lauf des letzten Jahres begannen die zwei eine künstlerische Liaison, aus der zwölf Lieder hervorgingen. Die präsentieren den Berliner Sangeskünstler abseits seiner üblichen Vorgehensweise mit dem Palastorchester. Allerdings, ohne ihn dabei nun tatsächlich auf revolutionäre Pfade zu führen.

Die Vorgabe: Statt klar einzugrenzendem Metier aus dem Fundus der Vergangenheit diesmal ein Pop-Album einspielen. Doch die Überraschung hält sich in Grenzen. Ganz klar ist Raabe nicht der Typ für Dance-Beats, überschäumende Hymnen oder knallige Neo-Gassenhauer-Schlager. Raabe bleibt Raabe. Auch wenn er keinen Frack trägt, so behält er doch stets die Krawatte umgebunden.

Entspannt inszeniert geht der Titeltrack sofort ins Ohr, und lehnt sich noch am stärksten an die Kompositionskunst der zwanziger und dreißiger Jahre an. Phonetisch reizvoll gestalten sich die Aufzählungen von Promi-Namen in "Ich Bin Nur Wegen Dir Hier".

Mit "In Geheimer Mission" legt er die beste Variante eines deutschsprachigen Agenten-Songs seit Achim Reichels "Nachtexpress" vor. Die Geigen sägen, ein versteckt agierender Tango übernimmt immer mehr die Oberhand, bis Raabe sich zu erkennen gibt: "Ich bin in geheimer Mission / und singe nur zur Tarnung / meine Waffe ist das Mikrophon / ich sage das zur Warnung."

"Täglich Besser" integriert Spinett-Klänge. Die "Krise" beleuchtet höchst amüsant den Umgang mit mancher Widrigkeit des Lebens, garniert mit einer kleinen Pfeif-Einlage. "Einmal saß ich im ICE / da kam sie rein / kurz vorm Bodensee", erzählt Raabe von überraschenden, ins Herz treffenden Begebenheiten in Gestalt einer umwerfenden Fahrkarten-Kontrolleurin ("Doktor, Doktor").

Dank tröstlicher Sanftheit höchst berührend: Das "Schlaflied" als beschließender Alben-Track. "Doch du, mein Schatz / musst schlafen gehn / weil Sterne schon am Himmel stehn / die Sonne ist schon längst in Agadir." Kitsch? Aber doch nicht aus dem Munde Max Raabes!

Die eigentlichen Kompositionen verbleiben zurückhaltend-schlicht und bilden die Staffage für viel Wortwitz.
Textliche Finesse war und ist Raabe ein besonderes Anliegen, diese Passion spielt er in seinen neuen Liebesvariationen voll aus. So harmlos manch Nummer zunächst daherkommt, entwickelt sie im Fortlauf ein immer stärkeres Eigenleben.

Dazu zählen neben den pointiert aufgebauten Storys allerlei musikalische Akzente durch beispielsweise Triangel und Glocken. Trotz des vorherrschenden, dezent humoristischen Anstrichs durchweht die Songs eine mal mehr, mal weniger latente Melancholie.

"Küssen Kann Man Nicht Alleine": eine Platte für Liebhaber. Wer auf Augenfälligkeiten des Kalibers "Kein Schwein Ruft Mich An" setzt, wird enttäuscht. Groß ausgespielte Rumba- oder Walzerseligkeit, wie etwa auf "Dort Tanzt Lulu", findet nicht statt. Die zwölf Tracks fungieren vielmehr als ruhig inszenierte und arrangierte Kleinodien, die keine grelle Erwartungshaltung vertragen. Doch wer seinen Spaß an gut ausgearbeiteten Feinheiten in zurückgenommenem, musikalischen Umfeld hat, darf vom großen Ballsaal getrost einmal in die Nische mit dem kleinen Kammerorchester herüberwechseln.

In der Deluxe-Edition des Albums findet sich eine separate Variante der CD. Hier mit Orchester eingespielt, erfahren die Songs dadurch reizvolle Alternativ-Arrangements.

Trackliste

  1. 1. Küssen Kann Man Nicht Alleine
  2. 2. Ich Bin Nur Wegen Dir Hier
  3. 3. Du Weißt Nichts Von Liebe
  4. 4. In Geheimer Mission
  5. 5. Täglich Besser
  6. 6. Eifersüchtiger Mann
  7. 7. Krise
  8. 8. Doktor, Doktor
  9. 9. Wenn Ich Du Wär'
  10. 10. Mit Dir Möchte Ich Immer Silvester Feiern
  11. 11. Krank Vor Liebe
  12. 12. Schlaflied

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