laut.de-Kritik
Nach dem Ballern ist vor dem Dealen.
Review von Stefan JohannesbergAuf der Straße scheffelt man kein Geld mehr - mit Rap. Als Künstler brauchst du engagierte Studenten wie beim Filmdreh. Maybach Music-Major Meek Mill interessiert das jedoch nicht die Bohne und fährt auf dem heiß ersehnten Free-Tape "Dreamchasers 3" bekannt ignorant und mit Tunnelblick ohne Tunnel im Blick durch die amerikanischen Ghettos.
Der Eastcoast-Emcee spittet über hart pumpende Trap-Beats, als würde er täglich im Atlanta Strip Club abhängen. Der Schriftzug auf seiner Cap: "I'm the last of the real street nigga left".
Bereits das "I'm Leanin"-Intro baut mit tickenden Hi-Hats, schleppendem Bass, knurrigen Synthies und natürlich Glocken das erwartete Fundament. Meek shoutet, schreit und flowt als Dank sofort noch hektischer, noch energiegeladener als früher und wird im Albumverlauf ab und an die Grenze der Nerven überschreiten. Doch wen schert schon anderer Leute Meinung? Mill sicher nicht, die Hook des folgenden "Make Me" kennt keine Kompromisse:
"And I ain't never care what a nigga had to say about me / And I ain't never care what a bitch had to say about me / It just make me, wanna shoot on ya'll niggas / It just make me, wanna shoot on ya'll bitches straight up."
Nach dem Ballern ist vor dem Dealen, und so krachen die klassischen Koka-Referenzen auf "Dope Dealer" ewartet wie ein Mond ins Ghetto. "Fuck Rap I sell swag", wer jetzt immer noch nicht checkt, dass der Philly-Emcee den Jigga-Mann als großes Vorbild hat, ist als Halbstarker auf Molly hängengeblieben. Überraschend dagegen: Rick Ross adlippt sich jenseits von gut und böse durch den Song wie Bushido, und Nicki fliegt endlich wieder First Class über den schleppenden Beat. So muss Maybach Music.
Der jüngst erschossene Meek-Protége Lil Snupe eröffnet die dickste Phase des Tapes. Sein "Lil Snupe Skit" klingt soundtechnisch wie direkt aus der Gruft, der Freestyle an sich aber – über einen 90er-New York-Beat, beweist noch mal schmerzhaft das verlorene Talent. Auch deswegen widmet Meek ihm danach mit "Lil Nigga Snupe" einen ganzen Track. "They killed my lil nigga Snupe / my lil nigga was they truth / And all he wanted was a coupe, all he wanted was a coupe", man fühlt den Schmerz, als sich die Stimme so überschlägt wie im Urteil, Emo-Rap für Erwachsene.
Überhaupt glüht und fließt Meek das ganze Tape lang unaufhaltsam heiß wie Lava. Erst Cassidy-Beef, dann der Mord an Snupe und zum Schluss Kendricks "Control"-Vers – da er sowieso im Mittelpunkt steht, nimmt er seine Rolle als Co-Kaptain von Rick Ross sehr ernst, ernster jedenfalls als Beanie Sigel und Memphis Bleek zusammen. "These pussies ass niggas ain't me" wirft er allen entgegen, und auf dem 90er-Tune "Hip Hop" spittet er ohne Hook klarer und besser als je zuvor.
"They jealous my album sellin' / Jealous that I ain't jealous / They jealous that I ain't tellin' / I'm focused no I ain't failin' / Propellin' up in the sky / Jealous I ain't die / They jealous a nigga made it / They jealous I don't know why / I don't understand y'all suckas / Guess I ain't meant to / Pussy motherfuckers / Lemme tell 'em what I been through."
Den Reim-Orden des Albums - man erinnere sich an Eminems Gastauftritt auf Jays "Renegade"-Song vom "Blueprint"-Klassiker – rappt sich jedoch wieder mal Jada "ich kill jeden in 16 Bars" Kiss an die Brust. Auf dem Luniz-Cover "Heaven And Hell" krächzt Miste D-Block wieder Bilder und Doppeldeutigkeiten als perfekte Punchlines verpackt ins Mic – und fasst Meeks Mixtape nebenbei in ein paar Bars zusammen:
"... Soft nikkas usually send the hate through the bytches / Jealous Instagram nikkas hating on your pictures / We dream chasing, y'all nikkas walking behind wishes ..."
4 Kommentare mit 4 Antworten
Bitte nicht auf den Molly-Zug aufspringen, Stefan. Es reicht, dass es inzwischen auf nahezu jedem 2. Stueck irgendwo erwaehnt wird, langsam ist es genug damit. Als vor Urzeiten Mac Dre, Young Dro und die Mafia noch ueber "thizz" und "beans" gerappt haben, hat sich keine Sau im US-Rap fuer XTC interessiert - und jetzt werfen sie sich die MDMA-Kapseln (deren Inhalt in der Regel so gering ist, dass davon hoechstens Zwergwuechsige wie der Eifelbewohner oder Leute high werden, die es zum 1. Mal nehmen) gleich reihenweise die Schlunde runter? Das nehme ich - ausser Danny Brown - keinem aktuellen rapper ab.
Ausserdem bin ich ebenfalls der Meinung, dass deine Rezensionen auch sehr gut ohne die dauernden Vergleiche auskommen. Die sind mal ganz lustig, aber ich finde, das hast du nicht noetig.
Meek Mill an sich nicht unsympathisch, aber wenn Schreihals auf Trapmonstern, dann doch ganz klar nach wie vor Waka Flocka.
Nah, ich halte Pillen generell für weak ass shit. Reviews kommen noch alle und noch viel mehr. Ansonsten danke fürs Lob und die Kritik. Ihr - die wichtigsten User - seid halt Teil eines Experiments, wie ich meine Sprache/Schreibe weiterentwickel. Da geht immer auch mal einiges in die Hose wie... Nun ja, ihr wisst Bescheid. Daher immer ruhig, Attacke.
Dieser Kommentar wurde vor 11 Jahren durch den Autor entfernt.
Der Satz hier:
"Ansonsten danke fürs Lob und die Kritik. Ihr - die wichtigsten User - seid halt Teil eines Experiments, wie ich meine Sprache/Schreibe weiterentwickel. Da geht immer auch mal einiges in die Hose wie... Nun ja, ihr wisst Bescheid. Daher immer ruhig, Attacke."
trifft es auch für mich total auf den Punkt.
Jup, die Vergleiche wirken öde und verkrampft.
Ich mag Stefan Johannesbergs Rezensionen eigentlich auch neben Danis am meisten, aber manchmal nehmen die Vergleiche wirklich überhand wie... Platzprobleme in meinen Boxershorts. :S Grundsätzlich finde ich es aber schon gut, dass er sich davon verabschiedet hat, wie früher ab und an unbedingt die Mehrheit der Songtitel in die Sätze einzubauen.
^^ siehe Kommentar bei Baudelaire
Was ich an Meek so interessant finde, ist, dass ich die Hälfte seiner Tapes inzwischen direkt in die Tonne kloppe, mich mit der anderen aber - für die Art Rap, die er da macht unüblich - enorm identifizieren kann. Oder zumindest mit einzelnen Tracks (e.g. Ambition, Lil N*gga Snupe, Dreamchasers, Ready Or Not,...). Auch in Interviews schwankt er zwischen "bitte nicht" und "so ziemlich auf den Punkt gebracht". Leider erwarte ich von ihm keine Meisterstücke, halte ihn allerdings vom Potential her dennoch für einen der Wenigen, die den Spagat zwischen Popularität und Nachhaltigkeit im großen Stil schaffen könnten.
Doch "Dreams Worth More Than Money" wird damit noch nicht viel zu tun haben. Und wer jetzt irgendwie interessiert sein sollte, sei gewarnt: Das ist weder Musik für Sprachbegeisterte noch brutal authentischer Gutter-Rap.