laut.de-Kritik
Coversongs für den ZDF-Fernsehgarten.
Review von Philipp KauseScheue Wesen auf der Bühne gibt es zwar immer wieder, doch viele Promis ziehen bewusst Privates an die Öffentlichkeit. Manchmal merken sie dabei nicht, wann es zu viel wird. Gerade bei Pärchen besteht dann das Risiko, dass irgendwann eine Trennung genauso ausgeleuchtet wird wie die idyllische Zweisamkeit - siehe etwa Johannes Oerding und Ina Müller. Carl Carlton, seit Jahrzehnten Gitarrist in Peter Maffays Band, und Melanie Wiegmann, Musical-Künstlerin, sind aus dieser Perspektive C-Promis, und wie viel "Glory" ihre private "Love" hat, ist wohl von recht geringem Interesse für den Musikfan. Doch sie legen ein Album vor, das ihre Unzertrennlichkeit schon musikalisch derart penetrant vorführt, dass beide ständig in derselben Tonlage tönen: "Glory Of Love".
Dabei präsentiert das Duo kaum eigenes Liedgut, sondern covert sich durch den Wald der Rock-, Pop- und Country-Welt, ohne den Hörer*innen die Chance zu lassen, vor lauter einzelnen Bäumen noch einen Wald zu sehen. Die geradezu willkürlich zusammengekegelten Stücke wirken, als wäre eine Auftragsliste abzuarbeiten.
Für den im Albumtitel formulierten Liebesschwur stürzen sie sich - übelst dick aufgetragend - auf "Love Hurts", von den Everly Brothers bis Nazareth sattsam vertraut und von vielen schon anmutiger gecovert. An dieser Stelle vorherrschend: Wulstigkeit.
Bei "A Hard Rain's A-Gonna Fall" würde man dem Duo gerne zu Hilfe eilen, um Carltons Ensemble zu dirigieren, damit die Musiker nicht eindösen. Einzelne Momente beleuchtet der Track gleichwohl sehr gut, wenn Carlton kehlig und bissig folgende Zeilen performt: "I met a young woman, her body was burning / I met a young girl, she gave me a rainbow / I met one man who was wounded in love." So deutlich stellen andere Versionen des Tracks die Szenarien, die Dylan in diese Nummer packte, gar nicht heraus.
Während der Promotext betont, die Version verfüge über einen "dynamischen Spannungsbogen", verfällt das Lied im Refrain immer wieder in eine aufgesetzte Lagerfeuer-Romantik, die gerade dem Ziel widerspricht, "die Verzweiflung über eine aus den Fugen geratene Welt" rauszufeuern. Gut anzuhören ist in dem selbstbewusst ausgedehnten Stop-and-go von kolossalen acht Minuten der dezente Orgel-Einsatz. Auch Dylans "I'll Be Your Baby Tonight" muss dran glauben - verunstaltet als Schrammel-Schunkler (in der Presseinfo: Zydeco).
Einer der bedrückenden Tiefpunkte bleibt "If I Needed You" von Townes Van Zandt, das schon Emmylou Harris coverte. Melanie und Carl stimmen gemeinsam in "I ease your pain" ein und schieben dann einander die Bälle zu: Nach dem Duett entwickelt sich in schwachbrüstiger Tonlage eine Art Dialog, in dem mal die eine, mal der andere die hundertprozentige Loyalität zusichert, komme, was wolle. Man könnte sich fragen, wie zeitgemäß und glaubwürdig ein solcher Text 51 Jahre nach seiner Entstehung heute noch ist.
Dazu wirkt Melanies Stimme kraftlos, fragil und belegt, an vielen anderen Stellen der Platte (z.B. das romantische "Dance Me To The End Of Love" von Leonard Cohen) gar metallisch und weit weg von den Zuhörenden. In "Dreamer" machen konturenstarke Gitarrenarbeit, Mundharmonika und Kickdrum ihre dürren Vocals stellenweise wett. Den Versuch, Carl zu übertönen, hätte sie besser vermieden.
Dass Carlton Americana liebt, zeigte sich etwa 2008 auf einer Bluesrock-Platte, "Dreamer" war dort auch schon vertreten . Diese Eigenkomposition sticht bei aller Kritik zwischen den versammelten Covers angenehm hervor, wo "Here, There And Everywhere" in einer Fassung, die einem Disney-Soundtrack entsprungen scheint, vor Süßlichkeit zerfließt und auch das monotone Arrangement einfach nur nervt. Carlton nutzt den Beatles-Classic für ein Gitarrensolo, das einer Art Bonamassa in soft gleichkommt. Blues für den ZDF-Fernsehgarten.
All jenen, die in Clapton den größten Blueser aller Zeiten sehen, werden bei dem Gesäusel aber umso mehr auf ihre Kosten kommen. Die Touri-mäßige Einlage "Route 66" wirkt ganz so, als wolle man dem deutschen Publikum mal plakativ vorführen, wie 'richtige' Südstaaten-Mucke tönt. Also Wangen aufblasen und vollen Saft in die Mundharmonika!
Ferner scheitert Carlton an dem Versuch, Tom Pettys eigenwillig geschleuderte Gitarrenriffs nachzuahmen: "Wildflowers" wird so zur eiernden Countrypop-Billigkopie. Damit hat die Scheibe dann die letzte Sympathien verspielt. Man kann sich an Dylan ausprobieren, klar. Aber Pettys schneidiges Spiel übertreffen oder kopieren zu wollen, kommt nur noch dreist herüber.
Die Plattenfirma schwärmt dennoch von "eigenwilliger Songauswahl, unprätentiösen Arrangements und natürlichem Charme", aber das Gegenteil ist der Fall: Die Songauswahl krallt sich einige der tot-gedudeltsten Stücke des Planeten. Die Arrangements haben ihre lichten Momente und sind glanzvoll abgemischt, wirken aber vielfach klischeehaft, gestelzt und übertrieben. Und natürlicher Charme entwickelt sich schon deswegen nicht, weil die rosarote Grundfarbe des Sounds absolut unspontan und klebrig rüberkommt.
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