laut.de-Kritik

Auf dem Weg zur eigenen Identität.

Review von

Mensch, wie schnell die Zeit vergeht. Gefühlt ist die Veröffentlichung der ersten Memoriam-Scheibe keine zwei Jahre her. In Wirklichkeit datiert das Debüt "For The Fallen" aus dem Jahr 2017. Und danach waren Memoriam wahrlich nicht faul.

Dieser Tage erscheint bereits der vierte Longplayer der Death Metal-Band um den früheren Bolt Thrower-Sänger Karl Willets und Hauptkomponist Scott Fairfax. Die Gründung 2016 geschah aus einem traurigen Anlass: Wenige Monate zuvor starb der Bolt Thrower-Schlagzeuger Martin "Kiddie" Kearns, was das Ende des legendären nordenglischen Death Metal-Kommandos bedeutete. Dieser Schlusspunkt bedeutete den Startschuss für Memoriam – auch um die Trauer über den Verlust des Freundes und Bandkollegen zu verarbeiten.

Eine eigene Identität zu finden, stellt für Memoriam bis heute eine große Herausforderung dar. Denn den Vergleichen mit Bolt Thrower, dem Original, können Willets, Fairfax, der Benediction-Basser Frank Healy und der neue Drummer Spikey T. Smith nur schwer aus dem Weg gehen. Das überzeugende "To The End" ist jedoch ein weiterer Schritt heraus aus dem Schatten der Vorgängerbands hin zur Eigenständigkeit. Schon der Vorgänger "Requiem For Mankind" wies eine deutliche Qualitätssteigerung zum zweiten Longplayer "The Silent Virgil" auf.

Mit "To The End" setzt das Quartett diesen Weg zur Emanzipation konsequent fort. Einmal mehr entwickeln Memoriam einen monströsen Groove, die Riffs sägen erbarmungslos und die Atmosphäre ist bedrückend. Willets verarbeitet in den Texten seine Kernthemen: Der Krieg und seine schlimmen Folgen.

Der Opener "Onwards Into Battle" walzt mit der Wucht eines Panzers und bietet dem Hörer den Vorgeschmack dessen, was da noch kommen wird. Der Text thematisiert die Brutalität des Grabenkrieges. "This War Is Won" ballert ebenfalls aus allen Rohren, sorgt aber mit dezent gesetzten Harmonien für Abwechslung. Etwas aus dem typischen Memoriam-Rahmen fällt "Failure To Comply", die zweite Single des Albums.

Rhythmik und Songaufbau erinnert ein bisschen an Industrialbands wie Skrew, Pitch Shifter oder alte Fear Factory. Thematisch geht es über die Polizeigewalt auf den "Black Lives Matter"-Demonstrationen" in den USA. Noch mehr kalten Industrial-Vibe verbreitet das abgehackte "Mass Psychosis". Songschreiber Fairfax beschritt für diesen Song ganz neue Wege, um die Killing Joke-Fans Willets und Healy zu befriedigen. Dazu passte, dass der neue Schlagzeuger Smith früher bei Killing Joke trommelte.

Memoriam lassen aber auch die Doomwalze rollen. "Each Step (One Closer To The Grave)" ist ein zäher Brocken, den die Death-Doom-Dominatoren Asphyx nicht hätten besser schreiben können. Willets raue Vocals kommen hier besonders gut zur Geltung. Auch der Titeltrack setzt auf gekonnt umgesetzten Slow-Death. Der Rausschmeißer "As My Heart Grows Cold" ist fast schon episch und überzeugt mit seiner intensiven Atmosphäre. Der Song schließt mit der Textzeile: "It takes a better man than I": Ein in der englischen Geschichte sehr populärer Satz.

Beeindruckend ist auch das Albumcover geraten, das erneut Kult-Künstler Dan Seagrave gemalt hat. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass "To The End" dem sehr starken "Requiem For Mankind" in nichts nachsteht und eine Idee abwechslungsreicher ausgefallen ist.

Trackliste

  1. 1. Onwards Into Battle
  2. 2. This War Is Won
  3. 3. No Effect
  4. 4. Failure To Comply
  5. 5. Each Step (One Closer To The Grave)
  6. 6. To The End
  7. 7. Vacant Stare
  8. 8. Mass Psychosis
  9. 9. As My Heart Grows Cold

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LAUT.DE-PORTRÄT Memoriam

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