laut.de-Kritik

Ein musikalischer Süßwarenladen zwischen Schmerz und Hoffnung.

Review von

Symphonisches, das bis kurz vor den Explosionsmoment anschwillt und durch Glitzerlandschaften stolpert: in der Trickkiste von Mercury Rev ist das nach wie vor ein Stilmittel, das für existenzielle Momente im Schaffen der Band aus Buffalo, New York sorgt. Sieben Jahre ist "Snowflake Midnight", ihr letzter Longplayer, mittlerweile alt. In der Zwischenzeit hat sich die Band unter anderem mit der Live-Performance von experimentellen Filmsoundtracks beschäftigt.

Vom Dunkel ins Licht: Im gewohnt majestätischen Soundkleid spannt "The Light In You" den thematischen Bogen von den ganz dunklen bis zu den helleren Seiten einer Existenz. Nachdem "The Queen Of Swans", zugleich Opener und erste Singleauskoppelung, den Hörer sanft, beinahe süßlich in psychedlischen Klangcineasmus führt, gelingt ihnen beim zweiten Track "Amelie" ein erstes, beklemmendes Highlight. "Amelie, unlock the door / I'll break the habit / I swear no more": hier wird die große Dramatik zelebriert und in ein Klangkleid zwischen großer Psychedelik und HD-Filmsoundtrack gebettet, während Jonathan Donahue verzweifelt in die Rolle des flehenden Junkies schlüpft, der seiner Partnerin verspricht: "It's my last score".

Es geht um Isolation und Verzweiflung, Entfremdung und Dunkelheit. Während die oft süßliche Orchestrierung rein naturgemäß Gefahr laufen könnte, die tonnenschwere besungene Gefühlswelt ein wenig zu zu trivialisieren, tut sie das nie, gibt dem ganzen wechselweise etwas noch Düstereres, verleiht der Schwere in manchen Momenten aber auch etwas versöhnliches. "How long will they let them you push around / How long will they get you down", singt Donahue in "You've Gone With So Little For So Long", erneut in breitwändige Klangopulenz gebettet, ehe "Central Park East", ein psychedelischer, isolierter Winterspaziergang durch den bekannten New Yorker Park ist.

Mercury Rev führen uns durch einen musikalischen Süßwarenladen, in dunklen wie in hellen Momenten. Es glitzert an allen Ecken und Enden, die Glockenspiele, die zahlreichen Geigen, das Orchestrale, Üppige. "Coming Up For Air" klingt dann wie der Befreiungsschlag des Protagonisten, es wird langsam Frühling, nach einem ganz üblen Winter, der nicht vergehen wollte. Die ersten verhalten Sonnenstrahlen kommen raus: "You left me in pieces / Yes, you did, yes you did / My goodness, what was left of me", kurz darauf wird der leise Optismus ein Stück lauter: "If you look hard, you can see me / (...) Like all the other dolphins / I'm out there swimming / Coming up for air".

Dann wirds plötzlich Herbst, und wie ein staunender Junge beschreibt der Ich-Erzähler die wundersame Umgebung. Und wieder, maximale Orchestrierung: "I'm walking on the leaves / Of days not yet to pass". "Are you ready now", singen kindlich anmutende weibliche Stimmen dann in "Are You Ready", dem vorletzten Song. Zu diesem Zeitpunkt sind wir nicht nur ready, sondern längst vollends im Sog von Mercury Revs Cineasmus.

Ganz am Ende, da nimmt alles noch einmal eine Wendung. Da möchten sie uns plötzlich zum Tanzen einladen, auf einen schnellen Swing oder so etwas. Da regieren dann sonnengetränkter Pop und schneller Rock'n'Roll, Gameshow-hafte Bläser. Dann ist er vorbei der Ritt durch düstere und gleichermaßen funkelnde Winterlandschaften, zaghafte Frühlinge und golden schimmernde Sepia-Sommer. Es war schön. Sehr schön sogar.

Trackliste

  1. 1. The Queen Of Swans
  2. 2. Amelie
  3. 3. You're Gone With So Little For So Long
  4. 4. Central Park East
  5. 5. Emotional Free Fall
  6. 6. Coming Up For Air
  7. 7. Autumn's In The Air
  8. 8. Are You Ready?
  9. 9. Sunflower
  10. 10. Moth Light
  11. 11. Rainy Day Record

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