laut.de-Kritik

Metals "Beautiful Dark Twisted Fantasy".

Review von

Ein bisschen ist das bei Meshuggah wie bei AC/DC: Eigentlich klingt alles gleich. Beide haben auch gar nicht nötig, sich aus ihrer Nische wegzubewegen. Solange Meshuggah uns Normalsterbliche weiterhin gnadenlos überfordern, sie schon gar nicht.

Obschon "The Violent Sleep Of Reason" irgendwie natürlich wieder genau dasselbe Rezept zugrunde liegt, mit dem die Schweden schon seit Jahrzehnten das Tech Death-Game dominieren, hat man nur beim ersten Durchlauf das Gefühl, sie könnten sich wiederholen. Das liegt aber, wie gesagt, zunächst daran, dass man die Kompositionen beim ersten Hören gar nicht voll begreift. Ja, wie bei AC/DC, bloß in sehr viel komplizierter. Gemeinerweise zählt Tomas Haake ganz zu Beginn auch noch frech ein, nach dem Motto: "Hey Leute, easy – ist doch alles 4/4-Takt."

Nur: Er hat ja recht. Ehrlich, es gibt kaum ein besseres Gefühl, als zu Meshuggah zu headbangen, wenn man erst einmal herausgefunden hat, wie. Denn was die Könige der vertrackten Gewalt ihren Untertanen nach wie vor um Meilen voraus haben, ist der Groove, den ihre nicht enden wollenden Riff-Monströsitäten trotz aller eingebauten Hirnwickler verbreiten. Sie killen zwar jegliche weiteren Multitasking-Ambitionen, ermöglichen aber wie kaum etwas sonst, gleichzeitig dämlich-glücklich grinsen zu können, mit Belfort-Face den wütenden Gorilla zu mimen, im Wohnzimmer herumzustampfen, mit dem Kopf zu wedeln, die Augen zu rollen und nebenbei ein kleines Kind zusammenzustauchen.

Meshuggah schließen mit "Clockworks" ein tosendes, pechschwarzes, scharfkantiges Labyrinth auf und mit "Into Decay" wieder ab. Das hereingelockte Publikum lassen sie dem Songtitel entsprechend darin eingesperrt. Einen Weg hinaus gibt es nicht. Was eigentlich ganz gut ist, denn so hat man wenigstens Zeit, das aufgefächerte Kammerngewirr genauer unter die Lupe zu nehmen.

Mit steigender Durchlaufzahl offenbaren die Gänge nach und nach doch ein paar Punkte, an denen man sich orientieren kann. Etwa das "New Millennium Cyanide Christ"-Gedächtnisriff von "Born In Dissonance". Die "MonstroCity"-Chromatikschraube, die sich gleich der Penrose-Treppe in unendlichen Spiralen windet. Das eigenwillige Solo in "Ivory Tower", dem Song, der auch groovemäßig turmartig aus dem Album hervorragt und seine schleppenden Riffwalzen dramaturgisch wertvoll mit Stille unterbricht. Das gewaltige Intro-Riff bei "Stifled". Der nahtlose, atmosphärische Synthie-Übergang zu "Nostrum", wo Tomas Haake und seine Gitarrenfreunde erst gegeneinander anspielen, um dann im "Refrain" in perfekter Höllenrhythmus-Symbiose ineinander aufzugehen. Das stetig durch den Drumbeat gewandelte Staccato in "Our Rage Won't Die". Die porösen Gitarren von "Into Decay" und natürlich die unverkennbaren Titanenvocals Jens Kidmans, der mit seinen mittlerweile 50 Jahren noch lange keine Stimmbandschwäche zeigt und vor allem im Titeltrack richtig loslegt.

Meshuggah machen genau das, was sie immer gemacht haben, allerdings ohne jedweden Qualitätsverlust und mit einer Tightness, die nicht nur hervorragend als Kinnladenklapper funktioniert, sondern auch im eigenen Backkatalog schwer wiederzufinden ist. Vielleicht liegt es daran, dass die Aufnahmen live stattfanden.

Schade eigentlich, dass der Titel "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" schon für ein Kanye-Album vergeben ist. Für diese Meshuggah-Platte wäre er wie geschaffen, ob des subjektiv noch höheren Finsternis-Levels sogar vielleicht etwas mehr als für einen der Vorgänger. Zum Glück klingt "The Violent Sleep Of Reason" fast genauso schön. Süße Albträume allerseits.

Trackliste

  1. 1. Clockworks
  2. 2. Born In Dissonance
  3. 3. Monstrocity
  4. 4. By The Ton
  5. 5. Violent Sleep Of Reason
  6. 6. Ivory Tower
  7. 7. Stifled
  8. 8. Nostrum
  9. 9. Our Rage Won't Die
  10. 10. Into Decay

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