laut.de-Kritik

Für die Ruinen von Vampirschlössern.

Review von

Im Genre Metal dürfte Messa eine der ergiebigsten Einstiegsdrogen der aktuellen Generation sein. Die italienische Doom-Formation, ein paar Untergrund-Stufen kredibiler als zum Beispiel Sleep Token, macht diese sehr konzeptuellen und eigenwilligen Konzeptalben, die ihr bluesiges Doom-Geschredder immer mit genug anderen Genre-Einlagen erweitern. Waren es auf "Close" die mediterran-arabischen Einflüsse und auf dem großartigen "Feast For Water" eine unglaublich eingewobene Jazz-Instrumentierung, haben wir es auf "The Spin" mit ihrem gothy Album zu tun.

Messa beschrieben ihre Musik ja schon immer mit dem selbstbestimmten Stichwort "Scarlet Doom". Erstmal: Scarlet Doom ist ein absoluter Killer-Genrebegriff ("Das Schicksal in Scharlachrot" ginge sogar irgendwie auf deutsch irgendwie. Paypalt mit einen Zehner, wenn ihr das Album eurer Uniband so nennen wollt) - und noch nie sind sie diesem Begriff so nahe gekommen wie hier. Ich vermisse ein kleines bisschen die Wüsten-Sounds, aber mit klaren Einflüssen von Killing Joke oder den Sisters Of Mercy bekommen wir hier wirklich Sounds, um die Ruinen eines Vampirschlosses zu erkunden. Das Album geht durch viele Etappen und viele Härtegrade, bleibt aber konstant wunderschön okkult-würdevoll, ohne sich auch nur eine Sekunde in Symphonic Metal-Kitsch zu verlieren. Das Album hat Aura sondergleichen.

Und trotzdem würde ich die große Stärke definitiv im Songwriting suchen. Haben die Vorgänger-Alben definitiv noch ihre Momente gehabt, in denen man wie bei Sleeps "Dopesmoker" in den fuzzy Gitarrenwänden ausharren wollte, hält dieses Album den Hörer konstant auf den Füßen.

"At Races" ist ein großartiges Beispiel: Das geht sofort mit einem bretternden Uptempo-Groove los, ohne dabei die Doom-typischen Blues-Skalen zu verlieren. Frontfrau Sara singt clean, die Vocals könnten fast für The Cure taugen, dann kommt sogar noch diese etwas tragikfröhliche Gegenmelodie ins Spiel. Ein paar Minuten wird dieser Rhythmus aufgebaut, dann ein Übergang in ein spannungsvolles Noir-Understatement, das die donnernden Gitarrenlicks immer wieder kurz andeutet, aber erst nach einer Weile in einem klassischen, 70er-mäßigen, langsamen Solo rauslässt. Und wo das einer anderen Band das schon als Release der aufgebauten Spannung getaugt hätte, legen Messa hier noch mal eine komplette Eskalation in den letzten dreißig Sekunden an: wo man den Song eigentlich fast schon ausgefadet gefühlt hätte, kicken sie das Leitmotiv noch einmal durch.

Besser hittet die Idee einer letzten Eskalation nur auf dem großartigen "The Dress", in dem in den letzten Momenten noch einmal Harmonien gestapelt werden, es klingt wirklich herausragend. Da ist einfach ein neues Gefühl von Sound-Ökonomie, ein Gefühl dessen, dass wirklich jeder Moment eines Songs und jede Passage mit vollkommener, scharfer Intention platziert ist, die das sonst eher spendable Doom-Genre nicht oft gesehen hat. Aber natürlich gibt es auch Genre-typischere Kost wie ein sich durch den ganzen Track aufschaukelndes "Reveal".

Eine Sache, die bei alledem hervorsticht, ist die klare Sound-Orientierung zu den Klassikern der Achtziger. Da ist ja immer ein gewisses Risiko darin, opulent, clean und wertig zu spielen, oft profitiert Metal ja in den Ecken und Kanten sehr davon, offensiv mit dem Lärm und dem Dreck umzugehen. "The Spin" ist definitiv kein dreckiges Album, weiß aber ganz genau, wo ihre musikalischen Traditionslinien bis zu Blues im Delta zeigen. Die Texturen und die Präsenz dieser Gitarrenlines und Soundwände ziehen nicht nur Einfluss von Sabbath, sie verstehen sehr genau, wo Sabbath ihren Einfluss hergezogen haben. Und das gibt Messa dieses sehr classy Gefühl, da etwas sehr Verwurzeltes und Klassisches zu hören.

In diesem Sinne, wie gesagt: Es ist so verdammt einfach, Messa geil zu finden. Das ist ein bisschen, als würde man einem Nicht-Horror-Fan den Exorzisten vorsetzen. Gutes Kino bleibt gutes Kino. Und auch, wenn ich persönlich die gothy Energie von "The Spin" nicht ganz so hoch ansiedeln würde wie die vorherigen Albumkonzepte, merkt man doch, dass wir es hier mit einer hochdynamischen Band zu tun haben, die in den Jahren ihrer Aktivität handwerklich nur gewachsen ist.

Dieses Album ist bedrückend gut und gibt nicht eine Sekunde das Gefühl, dass nicht ein sehr ausgeklügelter Plan und absolute Expertise hinter den musikalischen Entscheidungen trifft. Vielleicht geht das stellenweise auf Kosten des Ekstatischen, aber man darf sich doch gern für 45 Minuten von diesen hochcineastischen Metal-Strebern durch die scharlachroten Hallen des guten Geschmacks peitschen lassen.

Trackliste

  1. 1. Void Meridian
  2. 2. At Races
  3. 3. Fire On The Roof
  4. 4. Immolation
  5. 5. The Dress
  6. 6. Reveal
  7. 7. Thicker Blood

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