laut.de-Kritik
Mit Stolz und Vollgas in die kollektive Leberzirrhose.
Review von Philipp KauseSchon immer wollte ich mal Bettwäsche rezensieren, allerdings entfaltet die Mia Julia-Bettwäsche ihre volle Wirkung nur auf einer Baleareninsel. Dort wollte ich zum Testen der "Ltd. Fanbox" aber nicht hin, für solche Fälle hilft "Kopfkino". "Mallorca Mein Zuhause" ist als deutsche Biertheke aufzufassen. So suggeriert es das Docutainment-Format "Goodbye Deutschland! Die Auswanderer" meist für Gastronomen, die dort sesshaft werden, und so erklärt sich die Bier-Übermacht in den Album-Lyrics. Aber was wären die Leute hinter den Theken ohne Gute Laune-Bär*innen, die als Animateur*innen in deutscher Sprache auf die Pauke hauen!? "Malle Beste Leben", so schwingt Porno-Princess Julia in Zwei Promille-Grammatik den Taktstock. Vorschlag von Mia, um dort 'ne Runde auszugeben: "Rum Cola Korn Kabänes (Mallorcastyle Edition)", wobei zweideutig ist, ob der Drink in der Mallorcastyle Edition gemixt wird oder der Song. Oder beide. Wahrscheinlich braucht man für beides Kotzkübel, wenn man Urlaub am Ballermann nicht gewohnt ist.
Da sind sie also "zuhause", Stichwort "Bring Mich Nach Hause": die durchaus zahlreichen Fans dieses Schlager-Dancefloor-Pop-Produkts, das jetzt marketingtechnisch den Vogel abschießt: Nur zum Preis von vier CDs gibt's die eine neue, dafür muss man die pinkfarbene Bettwäsche mit erwerben. Warum macht mein Autokorrektur-Programm 'Punk' aus 'pink'? Wahrscheinlich weil es Punks mit dem Titel assoziiert: "Schlechte Manieren", Untertitel "Limited Fanbox".
Ein Großteil dessen, was ein Konzern wie Universal umsetzt, um dann umgekehrt mit englischsprachigen Newcomern ins Risiko zu investieren, kommt durch Impuls-gelenkte Käufe zum Beispiel einer "Ltd. Fanbox" zustande, und die zielt auf ein einendes Band: eine Party-Identität, teils ganz furchtbar schlicht auf Alkoholismus. Dem Alkohol anheim zu fallen, lässt sich prima verdecken, wenn maximale Action strotzende Vitalität vortäuscht: "Der Zug Hat Keine Bremse (Mallorcastyle Edition)", denn "Wir Heben Ab". Auf diesem Wege schleicht sich unterschwellig ein wilder Rockstar-Vibe ins fade Dasein als Porno-Party-Schlager-Animateurin. Mia Julia ist quasi das, was Anastacia für Kukident-Fernsehshows symbolisiert: ewige Jugend durchs Rausschleudern roher Emotionen. Mia Julia bietet auch Harmoniesüchtigen den gewissen Abenteuer-Kick oder wenigstens die Idee, den Geschmack davon.
Entsprechend vorgestanzt ist ihre Musik in diesem Spannungsfeld. Eurodance feiert hier sein breites Revival, diese Kopplung harmonischer (aber hohler) Hooks mit harten Beats und Raps. Teils wie in "Kopfkino" kippt der Dance hier allerdings in ranzigen Electro(clash)pop, punktuell in einen Ace Of Base-Verschnitt. Manchmal gerät die hochprozentige Rezeptur straight Stumpf-Techno-lastig, wie im Intro zu "Der Zug Hat Keine Bremse (Mallorcastyle Edition)". Das Video handelt zwar vom Ballermann, sieht aber sehr danach aus, als sei es klimaschonend in Köln am Rheinufer gedreht.
Zu sehr ähnlichen Galopp-Klatsch-Beats gibt die 36-Jährige in "Wenn Ich Du Wär" die Losung aus: "Kopf aus, Bass an, alle drauf, alle stramm!" - Einen hohen Nutzwert für den Moment direkt in der Balearen-Disco hat das sicher. Weniger nachvollziehbar ist, warum das jemand für zuhause auf CD braucht.
Ein Teil der Beats referiert auf Trance. Entsprechende Momente sind in "Bring Mich Nach Hause" in den luftigen Eurodance eingebaut. Zur Trance-Welle spult auch der Titeltrack "Schlechte Manieren" zurück. Dort dringt außerdem der Porno-Star aus der Künstlerin durch. "Nennt mich Freak, nennt mich Nerd / ihr wollt doch nur so sein wie ich / so frei und geil, wie ich im nassen Shirt!" Da mag sie Recht haben. Sie (oder ihr Song-Alter Ego), weiß was sie will, und hat "den Urlaub nie woanders verbracht". Mia Julia ist weder verklemmt noch miesepetrig, das muss man ihr lassen, und davon können sich viele Deutsche was abschneiden.
Weniger von ihrem Lifestyle. Einen heben, reinbechern, kippen, das Album sammelt Trink-Vokabeln und Metaphern, "Tagesziel: hackedicht!", "Wir trinken Bier auch schon vor vier / wir trinken Bier erst recht nach vier.", "erster, zweiter, dritter Shot", "immer auf Ex", "Vodka oder Whiskey, gute Mische ist am Start", "bin blau wie der Ozean, "Auch ein blindes Huhn trinkt auch mal ein Korn."
In "Rum Cola Korn Kabänes (Mallorcastyle Edition)" wäre der Four-to-the-floor der stupidesten Machart gerade noch verkraftbar, doch der Text ist schon mehr als ein harmloses Loblied auf Shots, sondern dient als unnachgiebiger Aufruf zum Komasaufen. Message: Wer nicht grenzenlos Hochprozentiges in sich rein schüttet, bis es vorne wieder raus sprudelt, ist Spielverderber und uncool. Refrain: "döp-döp-döp-döp döp-döp-döp-döp!" Siehe auch "Malle Beste Leben" mit dem identischen Refrain.
Daneben haben noch ein paar wenige andere ausgewählte Tätigkeiten eine Chance im Ballermann-Urlaub, Geschlechtsverkehr ("stampf zum Beat wie ein Freak und denk andauernd an Sex") und Tattoos stechen lassen ("tätowier mir ein paar Arme aufs Bein, - nur 'ne Idee").
Da sticht eine kritischere Nummer heraus: "Dass Du Scheiße Bist" ergeht sich in konsequenten Hardcore-Tech-Trance-Beats. Der Text greift zur Schau gestellten Egozentrismus, Materialismus und Narzissmus in einem Rutsch an, kommt spürbar von Herzen und ist sowohl musikalisch als auch lyrisch eine treffsichere, sogar richtig coole Nummer. Sie mildert meinen Verriss beträchtlich.
Die Platte verbleibt auch sonst nicht ganz so strikt auf einer Carpe Diem-Ebene oder gibt sich zumindest Mühe, diese zu begründen. "Irgendwann werden wir alt sein und wünschen uns diese Tage zurück" heißt es am Ende nachdenklich in "Irgendwann Werden Wir Alt Sein". Ich weiß nicht, ob das stimmt, ob diese Ferien-Crew, zu der noch Malle Anja, Lorenz Büffel, Julian Sommer und Die Atzen als Feature-Gäste gehören, wirklich alt wird. Ich habe gerade einen 42-Jährigen mit diesem Lebensstil gen Himmel verabschiedet, meinen Humor trifft die CD an der Stelle leider nicht. Wahrscheinlich bin ich für Mia Julia damit auch nur Spielverderber. "Malle Beste Leben" unterstreicht nochmal das Durchmachen von Nächten und hemmungslose Saufen als erstrebenswerten Sport, gar als Leistung und Schwanzvergleich, wie viel man verträgt. Traurig, dass ein Spaß-Album so sehr den direkten Weg in die Leberzirrhose verherrlicht. Die Solidargemeinschaft wird die Folgen bezahlen, von Frühverrentung über Therapiekosten von Diabetesbehandlung bis Dialyse.
Julia singt derweil recht herzig, irgendwie zum Liebhaben. Reißt sie den Mund auf, denke ich an Entenküken, die sich von ihrer Mama füttern lassen, vielleicht weil sie so aus voller Kehle und wie mechanisch immer wieder dieselben Themen und Lückenfüller singt und so betont, dass sie Nachschub in ihren Schnabel gießen muss. Paradoxerweise strahlt ihre durchaus angenehm lebenslustige und warme Stimme Unschuld, Witz, Klarheit aus und wickelt den Hörer selbst dann mit entwaffnender Sympathie ein, wenn er die Wortinhalte dämlich findet.
Ein Kartenspiel liegt übrigens auch noch bei. Dessen Kauf ist ebenfalls Pflicht, wenn man an den Silberling ran will. Heißt für das Paket: abzüglich Versandkosten geschätzt 60 Prozent Marge, Bettwäsche, Kartenspiele und CDs sind mit relativ geringen Herstellungskosten zu produzieren. Bekommen kann man auch ein 'Meet & Greet', aber nur wenn einem das Losglück hold ist - steckt nämlich nur in manchen Fanboxen. Ich finde das ziemlich abgeschmackt, Geld dafür zu verlangen, dass ein Fan einen sehen will - erinnert an Interviews, für die man bezahlen soll und überdies nicht an Musik, sondern ans Rot-Licht-Milieu, und in Verbindung mit einem Glücksspiel auch ans Casino. Das bleibt alles nicht nur dem Motto "Schlechte Manieren" allzu treu, es ist außerdem einfach Abzocke.
19 Kommentare mit 37 Antworten
Wäre sie bloß bei dem geblieben, was sie gut kann. seufz
Tut sie doch. Den Mund für andere Dinge als Musik nutzen.
"Kollektive Leberzirrhose" wär ein guter Name für ne Punkband.
Bei dieser Frau erübrigt sich eigentlich jeder Kommentar. Aber welches völlig verwahrloste Säufergesindel hört das? Schon klar, die Malle-Sangria-Eimer Fraktion. Schon für diese "musikalischen" Ergüsse müsste jedem sein Eimer in die Fresse gehauen werden und dann alle auf der Insel behalten.
Man wird noch träumen dürfen...
Gratulation, dein Kommentar ist um ein Vielfaches dümmer als es jegliche Malle-Musik sein könnte.
Nein
@Johannes B.
Man wird doch wohl noch Gewaltphantasien haben dürfen. Ich lebe die wenigstens nicht aus im Gegensatz zu den verwahrlosten Prollsäufern.
Wenn man sich die sonstigen geistigen Ergüsse des Kuechenchefs durchliest, hat man keine Fragen mehr. Du scheinst dich generell gerne über alles auskotzen wollen und mit primitivsten Beleidigungen um dich werfen zu wollen. Bring doch mal etwas Freude in dein Leben, du Miesepeter! *knutscha*
Also ich habe auch Gewaltfantasien, wenn nach 20-stündiger Zugfahrt durch halb Europa in D-Flughafen ein JGA zusteigt und mir mit Ballermann-Tunes auf den Sack geht.
@Johannes B.
Du darfst nicht nur meine Kommentare zu Retorten/Konserven Musik lesen. Lies mal was ich zu echter Musik schreibe, da kann mitunter Freude aufkommen. Und jetzt ist auch gut...
Naja. Ballermann-Songs muss man natürlich im Kontext sehen.
Album selbstverständlich nicht gehört, Gesangskünste natürlich auch unterirdisch.
Peter Pan und Der Zug hat keine Bremse erfüllen jedenfalls ihren Zweck.
Eingängige, einfache Melodie und auch noch im Vollsuff mitsingbar.
Ziel komplett erfüllt, da gibt es schlechtere Kandidaten.
Wer Bock hat kommt vorbei und macht beim Ballermann-Contest bei recording mit :-p
Leute, die das privat hören, sind keine Menschen.
RTL-II-Mucke