laut.de-Kritik
Großer Wurf des kleinen Texaners.
Review von Giuliano BenassiDass Micah P. Hinson zu Größerem in der Lage ist, zeichnete sich 2008 beim Zweitling "And The Red Empire Orchestra" schon ab. Dort verschmolz er akustische Gitarre und seine emotionale Stimme mit Orchesterklängen, um Tiefe statt Kitsch zu erzeugen.
Ein Eindruck, den auch das misslungene Coveralbum "All Dressed Up And Smelling Of Strangers" ein Jahr später nicht beeinträchtigte.
Die vorliegende Platte soll nun der große Wurf werden. Drei Jahre lang bastelte der schmächtige Texaner daran, kümmerte sich in Eigenregie um Produktion, Gestaltung und Fotos, weitgehend auch um die Aufnahmen. Dabei verließ er die gefestigten Pfade, auf denen er bis dahin wandelte, sowohl bezüglich der Songstrukturen als auch deren Länge. "We watch the world change, and we don't like what we see", so das Konzept, das er musikalisch umsetzen wollte.
Nach einem langwierigen Streicherintro machen den Beginn wie gewohnt akustische Klänge und Hinsons Stimme, die mit Weltschmerz gefüllt ist. Wirklich erstaunlich, dass er an die Tiefe eines Serge Gainsbourgs herankommt. Doch bald zeichnet sich ab, dass Wohlklang nicht in seinem Sinne ist.
Mit eisiger Kälte begleiten die Streicher "The Cross That Stole This Heart Away" und ohrenbetäubend fegen verzerrte Gitarren durch "Watchers Of The Night". Ein Konzeptalbum im alten Stil, das auf Popmerkmale verzichtet.
Von Hörgenuss kann also nicht wirklich die Rede sein. Dicht aufgeschichtet, entsteht eine beeindruckende Wall of Sound, die sowohl Musik als auch Hörer erdrückt. Das 12-minütige Finale spielt mit der Melodie von Hinsons bislang bestem Song, "Dyin' Alone", und bringt nicht wie auf "Red Empire Orchestra" die Erlösung, sondern eher Erleichterung. Weil das Album endlich zu Ende ist.
In gewisser Hinsicht hat "And The Pioneer Saboteurs" das Zeug zum Klassiker. Schließlich wurde "Exile On Main Street" bei seiner Veröffentlichung auch eher schmählich betrachtet. Das immer noch kaum zu ertragende "Metal Machine Music" gilt heute als wegweisend. So weit wird es bei Hinson höchstwahrscheinlich nicht kommen. Aber sein Mut verdient Respekt.
1 Kommentar
wer hört bloß so ne scheise