laut.de-Kritik
Du willst die Welt verändern? Veränder' dich selbst!
Review von Dani FrommMob. Inc. sprechen wahre Worte gelassen aus. In der Erkenntnis, dass das Dasein insbesondere für Zeitgenossen aus wenig privilegierten Kreisen kaum Erfreuliches bereit hält, steckt nun wahrhaftig keine Pionierleistung: "Es ist nichts Neues, wenn ich sag': Das Leben ist hart" - mindestens so hart wie die ungeschriebenen Gesetze der Straße.
Auf diesem Allgemeinplatz ruhen sich die rappenden Brüder E.ZY und Brasco glücklicherweise so wenig aus wie auf der Feststellung, dass - daran hat sich seit "Fremd Im Eigenen Land" nichts geändert - ausländische Wurzeln nicht unbedingt dabei helfen, in einer auf materielle Werte fixierten Ellenbogengesellschaft Fuß zu fassen.
"Koks ticken, Frauen schlagen liegt im Trend und erhöht die Auflage." Auf den Holzweg, eine kriminelle Karriere biete den - aus Mangel an Alternativen irgendwie legitimen - Ausweg aus dem Abwärtsstrudel, lassen sich die beiden Deutsch-Afghanen trotzdem nicht locken. Diesen Quatsch versuchen sie ihren Hörern entsprechend gar nicht erst anzudrehen. Statt sich vom lockenden schnellen Geld oder möglichen 15 Minuten Ruhm blenden zu lassen, zerren sie das Elend einer Dealerexistenz ("Alles") oder die Verzweiflung eines Amokschützen ("Menschen") gnadenlos ans Licht.
Mob. Inc. propagieren: Augen auf, genau hinsehen, die allerorts lichterloh brennenden Probleme erkennen, beim Namen nennen - und dann, statt die Gegebenheiten zu schlucken, wenigstens probieren, dagegen anzugehen. "Du willst die Welt verändern? Veränder' dich selbst!" Zunächst gilt es aber, die Lage im alltäglichen "Gomorra" zu sondieren. "Wir stehen vor dem Ruin", und das nur noch ganz knapp. Collagenhaft zusammengeschnittene Reportagen- und Nachrichtenschnipsel in "BRD Prelude" oder "Krieg Interlude" streuen Salz in offene Wunden.
"Wo sind die Perspektiven? Keiner ist mehr zufrieden." Bis das Pulverfass explodiert und "Deutschland Brennt": im Grunde nur noch eine Frage der Zeit. Man könnte glatt Angst kriegen - und man täte gut daran. Die unausweichlich scheinende Revolte wäre immerhin eine gesündere Reaktion als das Verharren in stumpfer Lethargie, in der sich eine ganze "Generation Hartz" gefangen halten lässt. Rebellion ist allemal besser als Suff und Selbstaufgabe.
"Wir machen unser Ding, niemals verändern wir uns", präsentieren sich Mob. Inc. als stete Tropfen mit felsenfester Überzeugung: "Rap ist was Ernstes und nicht zum Spaß wie ein Rummelplatz." Lebensfreude hat in "Gomorra" entsprechend wenig Platz. E.ZY und Brasco grenzen sich gegen Party-, Hype- und Moderapper kurz und bündig, aber entschieden ab.
Die Brüder verfolgen ein größeres Ziel. In all ihrer Trauer, mitten im Elend und Düsternis, auf von Krieg verbrannter Erde, sogar im "Niemandsland", keimt trotzdem immer noch ein zartes Pflänzchen der Hoffnung. Die Utopie von einer besseren Welt gilt es zu hegen und zu pflegen. Sonst sind wir restlos verloren.
Ihr ehrenwertes Ansinnen kleiden E.ZY und Brasco in ungekünstelte Worte und einen soliden Vortrag, dem eher das enthaltene Herzblut als eine ausgefeilte Technik Leben einhaucht. Den Soundtrack dazu liefert No Remorzes DJ Kaoz. Er bietet Mob. Inc. mit seinem Label Sicknoize Records eine angemessene Heimat und steuert etliche Produktionen bei, darunter den flackernden Beat zu "Deutschland Brennt", den klassisch angehauchten "Countdown" und das einen aus dem Dunkel heraus anspringende "Alles".
Klavier und dunkle Streicher illustrieren über weite Strecken oft zwar wenig ausgefallen, aber stets stimmig die thematisierte Tristesse. Hier und da peppen Scratches, Synthies und über Trommel- und Zwerchfell schrappende Bratzbässe das allzu bekannte Bild auf. Die Eigenwerbung "Mob. Inc." untermalt eine zugleich wuchtige und geisterhafte Kulisse aus dem Hause Carnage Beatz, die zudem noch eine leise orientalisch gefärbte Melodie durchzieht: mein Lieblingsbeat auf "Gomorra".
Gegen den R'n'B-gefärbten Gesang von Adrian Jose lässt sich wenig einwenden - sofern man auf gesungene Hooklines steht. Mein Fall ist das in den meisten Fällen halt leider ebenso wenig wie öffentlich zur Schau gestellte private Liebeserklärungen. E.ZY besingt "Die Eine" in seinem Leben in "One". Schön, wenn sich Menschen lieb haben.
In "Gomorra" wirkt dieses zum Glück erst nach dem "Outro" angeklebte Anhängsel aber doch ein wenig deplatziert. Kann ich statt dessen vielleicht einfach einen weiteren Gastauftritt von Crak bekommen?
1 Kommentar
"Du willst die Welt verändern? Veränder' dich selbst!"..."Wir machen unser Ding, niemals verändern wir uns" Enough said.