laut.de-Kritik
Endlich ausgegrinst!
Review von Michael SchuhNoch nie konnte man so unbeschwert natürlich mit den offenkundig unnatürlich gebräunten Coverboys Bohlen und Anders mitgrinsen, denn eines ist nun unumstößlich Fakt: Es hat sich ausgegrinst mit Modern Talking. Das Spiel mit dem Massengeschmack hat ein Ende gefunden und vorerst ist keine Verlängerung in Sicht. Doch was wäre das für ein lausiger Abschied einer der erfolgreichsten deutschen Pop-Formationen, gäbe es nicht noch ein Abschiedsspiel? Eben.
"The Final Album" ist gespickt mit den Highlights einer langen, schier unendlich langen Karriere und markiert, wenn alles gut läuft, das letzte Match von Bohlen und Anders: Wir lauschen einer Hit-Partie über 70 Minuten; also nur unwesentlich kürzer als Modern Talkings Abschiedskonzert neulich in Rostock. Den Anfang macht, und alles andere wäre nun wirklich ein Sakrileg gewesen, "You're My Heart, You're My Soul".
Bis heute ist er der absolute Meilenstein und stellt gleichzeitig das Hit-Rezept dar, das Bohlen zu kopieren sich in der Folge niemals zu schade war. Warum auch? Dem Erfolgsjahr 1984 folgten drei weitere Jahre auf dem Pop- und Charts-Olymp. Wie es so weit kommen konnte, lassen "You Can Win If You Want", "Cherie Cherie Lady" oder "Geronimo's Cadillac" zwar nicht einmal erahnen, aber so ist es gewesen und die Geschichte ist unumkehrbar.
Italo-Disco hieß die Pop-Masche der Combo in den Anfangstagen, Euro-Disco lautete ihr Genre bei der Reunion in den 90ern. Und auch hier, im zweiten Frühling der MT-Karriere, begeisterte das Duo wieder Millionen mit dem altbewährten Kompositions-Konzept: Intro - Strophe 1 - Refrain (Normal), Refrain (Eier ab) - Strophe 2 - Refrain wie gehabt - abrupter Schluss.
Allerdings dumpft dazu ein markerschütterndes Eins-Zwei-Drei-Vier-Vierteltakt Bass-Drum-Metronom. Durch alle Songs. In gleicher Tonart mit den gleichen Harmonien. So verkommen "China In Your Eyes", "Don't Take Away My Heart" oder "Win The Race" zu traurigen Stampf-Heulern, die wohl nur der Hardcore-Fan auswendig von der Tribüne trällern kann. Doch darum geht es jetzt nicht mehr. Modern Talking verlassen nach neun Jahren netto den Platz, auf dem bekanntlich die Wahrheit liegt. Doch selbst die hat Dieter Bohlen schon an sich gerissen.
Noch keine Kommentare