laut.de-Kritik

Synthpop-Hymnen für Loser und Liebhaber.

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Scheppernd schräge Synths und eine Stimme, die sonor und dennoch schön-traurig wie Nico über minimalistisch wavigen Electro-Pop-Songs schwebt: "Amateur" ist das mittlerweile 12. Album von Molly Nilsson. Die schwedische Sängerin und Songwriterin hat es zuhause in Berlin geschrieben und aufgenommen, nachdem sie sich endgültig und enttäuscht von der Musikindustrie losgesagt hat. Obwohl Nilsson eigentlich von Beginn ihrer Karriere an selbstbestimmt unterwegs war und von ihren Fans auch liebevoll DYI-Diva genannt wird.

Die Tracks werden von einer persönlichen Dringlichkeit getragen und sind eine Hymne an alle Amateur:innen, abgeleitet vom lateinischen Wort 'amator', was "Liebhaber" oder "Bewunderer" bedeutet. Nilsson betont hier die ursprünglich positive Bedeutung des Begriffs: Ein Mensch, der sich einer Sache hingibt und nicht jemand, dem mangelndes berufliches Können nachgesagt wird.

Und so ist dieses Album als ein musikalischer Liebesbrief an alle zu verstehen, die dem Leben mit Neugier und Leidenschaft begegnen. Die Message der Lieder lautet: Etwas tun, nur weil es einem Freude bereitet, ist eine radikale Tat in einer Welt, in der alles einem Nutzen untergeordnet wird. Am schönsten entfaltet sich dieser Gedanke im umarmenden "How Much Is The World".

Die Songs wirken im Gegensatz zu ihren früheren Dark Wave-Tracks geradezu sonnig und herzlich: Die morbide Melancholie, durchschimmernde Ironie und raue Romantik sind einer entwaffnenden Emotionalität gewichen. "Classified" ist beispielsweise ein Song wie ein Vintage-Karussell, das mit seiner temporeich bouncenden Struktur schwindelig und zugleich glücklich macht und dazu noch an die Madonna der Achtziger erinnert.

In "Get A Life" peitscht Nilsson geradezu durch eine energiegeladene Melodie, die an eine DYI-Variante von Altered Images erinnert. Molly Nilsson variiert ihren eigenwilligen Electro-Sound von punkig über poppig bis clubbig. "Amateur" reißt mit und stellt eines ihrer abwechslungsreichsten Werke dar, dessen Herz für alle (angeblichen) Loser:innen schlägt.

Trackliste

  1. 1. Die Cry Lie
  2. 2. Valhalla
  3. 3. Swedish Nightmare
  4. 4. Classified
  5. 5. Long Time No See
  6. 6. Fatal Distraction
  7. 7. Get A Life
  8. 8. Joe Hill's Last Will
  9. 9. How Much Is The World
  10. 10. Creeping Beauty
  11. 11. Big Life
  12. 12. All The Way
  13. 13. The Bitter End

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