laut.de-Kritik

Dieser zynische Dreck hat mit Rap nichts zu tun.

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Es gibt diese popkulturelle Fantasie, in der träumerische Artists zum Label gehen, wo ihnen dann von diesen anzugtragenden Männern in Grau jede Faser Kreativität und Leidenschaft ausgeprügelt wird, bis nur noch seelenloser Einheitsbrei übrig bleibt. Im Hause Universal hat man beschlossen, diesen Mittelsmann einfach einzusparen, und beauftragt seitdem seelenlose graue Männer damit, ihre seelenlose graue Scheißmusik höchstpersönlich abzuliefern.

Ja, Montez war angeblich mal ein Rapper, aber seine neue Poprap-Ära, die mit dem Erfolg von "Auf & Ab" eingeläutet wurde, verdient jedes Register an Gatekeeping. Dieser zynische Dreck hat mit Rap nichts zu tun, er hat mit Pop nichts zu tun, er erfüllt die Kriterien von irgendeinem Genre oder irgendeiner Kunstform allerhöchsten formell.

Gäbe es einen angemessenen Begriff für sein neues Album "Liebe In Gefahr", dann lautete der 'Dienstleistung'. Es ist ein Album bar jeder Fantasie, jeder Ambition oder jedes Ehrgeizes. Handwerklich von einer fast unvorstellbaren Mittelmäßigkeit und so kommerziell, dass man beim Hören einen Hauch von Plastik im Rachen schmeckt. Es ist die Sorte Musik, die Lebenszeit zehrt. Wenn es vielleicht nicht das schlechteste deutsche Album aller Zeiten ist, es ist doch bestimmt das nutzloseste.

Ich war damals wirklich schockiert, dass ein offensichtlich am Reißbrett zusammengewürfelter Mist wie "Auf & Ab" ein Hit werden konnte. Er ist so emblematisch für eine der heimtückischsten Achsen des Bösen im deutschen Pop. Beatzarre und Djorkaeff, die Architekten hinter der allzerfressenden Beigeness des deutschen Formatradios. Sie schreiben diese gleichförmigen, irgendwie gefühligen Balladen-Songs über toxische Beziehungen und absolut nichts anderes. Sie schreiben die Musik für die traurige Stelle bei Zweidrittel von einer beliebigen Fack Ju Göthe-Fortsetzung. Die Songs gehen rauf und runter, wie das Lehrbuch es gebietet, sie benutzen Motive und Themen, um einen Tracktitel benutzen zu können und haben weder Herz noch Hirn. Diese Musik hält ihre Hörerinnen und Hörer für komplette Vollidioten und strengt sich kein bisschen an, das zu verbergen.

Der Song "Fieber" zum Beispiel fängt mit der folgenden Formulierung an: "Kann mich bitte irgendjemand gegen Liebe impfen, Liebe impfen, Woah-oh". Danach kommt ein Pop-Punk-Beat, so steril und handzahm, für den Machine Gun Kelly dich mit vollem Recht einen Poser nennen würde, weil selbst er dagegen aussieht wie Bikini Kill. Die SDP-Personen und Montez versuchen sich dann zu überbieten, wer die belangloseren Lovesong-Zeilen findet. "Ist das Krank oder ist das Liebe? / Da helfen nicht einmal Vitamine", oder "kann mir jemand sagen ob das Liebe ist / wenn ich beim Pinkeln immer wieder neben's Becken piss" (weil... something, something, die Ärzte?) oder "Ich will Texte schreiben, doch hab ganz komische Schmerzen / und kritzel stattdessen alles voll mit kleinen Herzen" singt dieser erwachsene Mann. So richtig schön mit Beat-Drop, um das "Herzen" noch ein bisschen schmachtender zu betonen.

Montez ist fast dreißig Jahre alt und heult auf Songs wie "Keine Antwort" darüber, dass er sich nicht traut, einer Frau zu sagen, dass er sie "auch mag". Und ich schwöre, auch auf dem Rest des Albums sagt dieser Mann einfach anything, um seine Textblätter vollzukriegen. Eine kleine Blütenlese: "Du siehst genau so aus wie damals, langes Haar, große Jeans / Der Boden wird zu Lava, ob du das auch so siehst?". Wahrscheinlich nicht. Dieses extrem wahllose und irgendwie beschissene Bild recycelt er dann prompt auf dem selben Album auf "Weltrekord" nochmal: "Da ist kein Empfang, wo mal starkes Signal war / Ich komm nicht mehr zu dir, denn der Boden ist Lava". Der fucking Boden ist Lava, Montez? Das ist das Bild, das dir so einleuchtend und romantisch vorkam, dass du es gleich zwei Mal verbaust?

Immerhin benutzt diese Stelle überhaupt ein Bild. Das Schlimmste ist, wie absolut phrasig dieser Dreck sonst ist. Große Teile dieses Albums sind so unpoetisch, dass eine Glückskeksfirma die Zeilen zurückweisen würde. "Ich werd dir nie mehr schreiben / Denn wichtig ist, dass man glücklich ist / und das gilt für beide Seiten", Digger. So was sagen Leute beim Smalltalk, meistens gefolgt von einem Räuspern und einem 'ja, ähm', bevor man sich umsieht, ob man nicht doch mit irgendjemand anderem reden könnte. Was zur nächsten Frage führt, aber: Führen all diese Artists die gleiche beschissene toxische Beziehung oder schreiben nur alle voneinander ab? Es reicht. Wenn ich die nächste vage abgerockt klingende Songzeile über Streits und Versöhnungssex bekomme, schleife ich euch alle höchstpersönlich in die Paartherapie oder zum Scheidungsanwalt.

Und bevor jetzt jemand kommt: Ja, aber, das ist halt Pop, das klingt halt so. Mehr noch, als dass dieses Album offensichtlich kein Rap ist, ist es kein Pop. Moderner Pop, sei es Mainstream-Pop, Hyperpop, Latin-Pop, K-Pop, was auch immer, ist in seinen guten Ausführungen eine Spielwiese für alles, was Musik kurzweilig und unterhaltsam macht. Dieses Album ist so unterhaltsam wie trockener Farbe beim Verbleichen zuzusehen. Es ist eine musikalische Leichenstarre. Song für Song bekommen wir klassische Pop-Akkorde auf Gitarre oder Klavier. Fertig. Es gibt keine Überraschungen, keine Ideen, keine Momente, die aufhorchen lassen, keine Sekunde, in der irgendetwas nicht perfekt stromlinienförmig den Weg des geringsten Songwriting-Widerstandes wählt. Würde man die pure Fantasielosigkeit dieses Albums zu einer kleinen, klaren Flüssigkeit destillieren, könnte man damit eine Millionen Kinderträume töten.

Argh. Okay, ich habe mich gleich wieder. Aber es musste raus. Es muss Grenzen geben. Mein erster Draft dieser Review war einfach nur eine Word-Seite voller Kraftausdrücke. Und ich gehe keinen Schritt zurück. Artists in Deutschland sollen sich wieder dafür schämen, für seelenlose, zynische, kalkulierte Scheiße wie diese ihren Namen und ihr Gesicht herzugeben. Es darf nicht mehr normal sein, dass Leute so etwas für Pop oder Rap halten. Dieses Album entsteht nicht aus Leidenschaft für Pop oder Rap, sondern ist ein reines Abziehbild einer zynischen Vorstellung, was sich Teenager in diesen Genres vielleicht anhören würden. Nennen wir es, was es ist: Es ist der eitrige, Songwriter-Camp-förmige Ausguss der Label-Schwerindustrie. Es ist Graue-Herren-Musik. Und wir brauchen bitte wieder eine Momo, die dieser menschenfeindlichen Anti-Kunst die Stirn bietet.

Trackliste

  1. 1. Lovesong
  2. 2. Liebe In Gefahr
  3. 3. Keine Antwort
  4. 4. Haustür
  5. 5. Wenn Ich Du Wäre
  6. 6. Fieber (feat. SDP)
  7. 7. Weinst Du
  8. 8. Dopamin (feat. Esther Graf)
  9. 9. Starlight Express
  10. 10. 7 Leben (feat. Casper)
  11. 11. Winter
  12. 12. Besser
  13. 13. Weltrekord
  14. 14. Jeden Tag Mehr

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