laut.de-Kritik

Wohlfühl-Rap mit dem Finger irgendwo in der Nähe der Wunde.

Review von

Moop Mama ist diese Band, von der man im Szene-Geschehen eigentlich wenig mitbekommt, aber mindestens drei mal pro Quartal in einem wahllosen Gespräch hört, dass sie live fantastisch sei. Die Blechbläser-Formation um Keno lebt für die Festival-Saison und hat ihre Fans ohnehin schon lange fest um sich versammelt. Entsprechend scheint auch das neue Album "Ich" kaum mehr bewerkstelligen zu wollen, als ein paar auf die Zielgruppe zugeschnittene Nummern Studenten-Rap mehr in den Katalog zu bringen.

Besagte Zielgruppe hört wahrscheinlich auch die Antilopen Gang, Fatoni (auf dem Tape vertreten), Edgar Wasser und Käptn Peng (nicht vertreten). Wahrscheinlich hat sie studiert oder studiert noch, ist ein wenig links und hört sonst weder besonders viel Rap, noch besonders viel Blasmusik. Dafür schätzt sie aber, dass Keno und Konsorten besagten Sprechgesang, den sie sonst eigentlich nicht besonders gerne hört, mal "mit Köpfchen" und "nicht so vulgär" machen.

Um dem gerecht zu werden, wahren die Tracks auf "Ich" auch einen stets altklugen, ironischen Ton, sagen dafür aber allesamt nicht so besonders viel aus. "Feuer Mich" setzt sich mit der Rolle von Arbeit in der Gesellschaft auseinander, "Shitstorm (feat. Danger Dan)" macht sich über Social Media-Kultur lustig und "Kill Die Zeit" veralbert Hollywood-Tagträume.

Es ist alles smart genug formuliert, gerade auf "Zukunft" oder der Lead-Single "Molotow" finden sich ein paar originelle Sprachbilder und die Prämissen fühlen sich immer vielversprechend und relevant an. Aber Zeilen mit der Feuerkraft von "Da sind Neue eingezogen in das Haus/ die stellen Zeug raus, das ist feuerpolizeilich nicht erlaubt /" kommen im Akkord in einem so oberlehrerhaften Ton, als handele es sich dabei nicht um komplette Konsens-Aussagen. Smalltalk-Lamento, den wahrscheinlich auch diejenigen so veräußern würden, über die sich da eigentlich lustig gemacht werden soll.

Tinder ist doof. Und Arbeit ist anstrengend. Wutbürger sind erst recht doof. Und Spießigkeit! Und überhaupt sind die Leute alle viel zu egozentrisch! Das alles kommt dann auf Produktionen daher, die mit dem Bläser-Ensemble offensichtlich angenehm und tanzbar klingen. Die Uptempo-Beschwingtheit ist eine große Stärke der Gruppe. Allerdings sind mit "Molotow" und "Shitstorm" die wirklichen Banger auch schon abgezählt, denn viele Tracks legen den Fokus scheinbar mehr auf Text und Inhalt. Das ist schräg, denn Songwriting ist bei genauerem Blick nicht unbedingt eine Stärke von "Ich".

"Kapuze" zum Beispiel handelt von einem Mädchen, das eine Kapuze trägt. Und ist dabei so irritierend geschrieben, das man die eigentliche Prämisse kaum näher eingrenzen kann. Mein bester Tipp ist, dass es wohl um die Angst von Frauen auf dem nächtlichen Heimweg gehen könnte (zumindest erwähnen ein paar Bars Angst und Kampfszenarien). Das erklärt aber nicht, wieso der restliche Song aufgebaut ist wie eine Angsty-Loner-Girl-Liebesballade aus dem Emo-Rock-Spielbuch um 2004, aber wie eine erbauliche Party-Hymne klingt.

"Zukunft" zeichnet die Vision einer kommunistischen Science-Ficiton-Welt, bricht aber nach einer Strophe ab, um in ein (ironisches?) Manifest gegen Kulturpessimismus umzuschlagen. "Wildnis (feat. Kryptic Joe)" könnte als bayerisches Deichkind-Cover von Kanye Wests "Black Skinhead" durchgehen, klingt aber ziemlich flach und versucht nicht einmal, die wahllosen Phrasen mit irgendwelchen Revolutions-Begriffen zu einem halbwegs kohärenten Sinn zusammenzuflicken. Könige, Opfer, Völker, Wildnis, something, something, ... äh, Revolution? Revolution! Fertig.

Im Grunde ist "Ich" ein Party-Rap-Album, das mehr Aufwand darauf verwendet, smart zu klingen als smart zu sein. Deswegen kann man auch sicher eine ganze Menge zitierwürdige Oneliner auftreiben ("Wir verbrennen unser Geld in Kohlekraftwerken"), aber kaum eine einzige Aussage, auf die man die Band wirklich festnageln könnte.

Hört man die Platte aber etwas zu genau oder zu nüchtern, zerfallen viele der Songs in ihrem wirren und unkoordinierten Songwriting. Zu oft passen musikalische oder textliche Entscheidungen nicht ganz zusammen, sind nicht aufeinander abgestimmt. Die meisten Instrumentals geben sich auch denkbar wenig Mühe, irgendwie auf die Trackthemen einzugehen, genau wie Kenos Stimmlage fast durchgehend gleich bleibt. "Ich" scheint zu sehr von sich selbst beeindruckt zu sein, um diese Probleme überhaupt wahrzunehmen. Übrig bleibt Wohlfühlmusik für die Festival-Saison, in der Sound und Ästhetik von Moop Mama logischerweise auch fantastisch funktionieren werden.

Trackliste

  1. 1. Wildnis (feat. Kryptic Joe)
  2. 2. Molotow
  3. 3. Feuer Mich
  4. 4. Hier Bin Ich (feat. Fatoni)
  5. 5. Kill Die Zeit
  6. 6. Kapuze
  7. 7. Zukunft
  8. 8. Wenn Ich Du Wär
  9. 9. Regenischirme (Interlude)
  10. 10. Shitstorm (feat. Danger Dan)
  11. 11. Geister
  12. 12. Sind Wir Schon Da (Interlude)
  13. 13. Nüchtern

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1 Kommentar

  • Vor 6 Jahren

    Mit den ersten beiden Absätzen erstmal schön sich selbst gedisst, der Herr Gölz.
    Kann man sonst aber durchaus so machen. Moop Mama rennt seiner Form hinterher, wobei ich "ICH" weit besser und eingänger finde als "Mooptopia".