laut.de-Kritik
Rhythmische Schwingungen im tropischen Baströckchen.
Review von Jasmin LützMeine Mami hat immer gesagt: "Püppi, steig niemals zu Fremden ins Auto." Nun, ich habe mich nie daran gehalten, und bei Mountaineer würde ich sofort wieder unvernünftig handeln und mich auf den Beifahrersitz kuscheln. Das zweite Album "Sleep And Me" des Ex-Fink-Trommlers Henning Wandhoff klingt von Anfang an vertraut und wohltuend. Wer so eine beruhigende Stimme hat und seine Folk-Country-Pophymnen so eindrucksvoll melodisch und warm präsentieren kann, der muss einfach ein guter Mensch sein.
Schlagzeuger können mehr. Das beweist nicht nur Drummer Francis Mac Donald als Nice Man oder die etwas andere Rockkombination von Enno Palluca, Trommler der Goldenen Zitronen. "Sleep And Me" ist ein Klangspiel aus Melodica, Mellotron, Kalimba, Orgel und Pedal Steel Guitar. Dabei ist zu beachten, dass Henning fast alle Instrumente selber spielt. Hörenswerte Unterstützung erhält er von einigen Mitgliedern der befreundeten Bands Missouri und Calexico.
Ein Multi-Talent schreibt seinen Liebesbrief an die amerikanische Folkmusik. Ein Beweis mehr, dass das Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht nur aus Fast Food und Psycho Präsidenten besteht. Bei "Cabin Waltz" wünscht man sich, die zweite Stimme singen zu dürfen. Die stammt hier allerdings von Katja Raine, eine von vier Damen, die anfangs den Soloreiter nur auf seinen Konzertreisen begleitete und mittlerweile fest zur Band gehört.
Mit seinem Debüt "Sunny Day" überzeugte Mountaineer bereits 2003 mit wunderbaren Vierspur-Aufnahmen. Beide Platten wurden auf dem Label Sommerweg veröffentlicht, auf denen auch die Musiker Barbara Manning oder Vic Chesnutt gerne zu Hause sind. Und der Name ist Programm. Wollmütze und Schal sind jetzt schon nicht mehr wegzudenken, aber die Hoffnung nach Sonne und strahlendem blauen Himmel wächst mit dieser Platte mehr und mehr. Rhythmische Schwingungen im tropischen Baströckchen begleiten "I Live In Your House", und immer wieder begegnet man der Wurlitzer-Orgel und dem überaus charmanten Stimmduett des Herrn Wandhoff und der Frau Raine. Verträumte Blicke in die Ferne, deren Sehnsucht manchmal weh tun kann.
Das Beste kommt wie immer zum Schluss und sorgt für die Zigarette danach. Ein gelungener La Grande Illusion Remix von "Ghost Notes" mit über achtminütiger Clublounge Atmosphäre im wilden Westen. Hinter La Grande Illusion verbirgt sich übrigens der Koproduzent von "Sleep And Me", Heiko Badje. Meine Empfehlung gegen Herbstdepressionen: Ein ausgiebiger Spaziergang im Wald mit Mountaineer auf den Ohren und Hund an der Leine.
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