laut.de-Kritik
Wie ein komplexer Rotwein, jahrelang gereift.
Review von Johannes JimenoMr. Oizo bleibt sich treu und das ist auch gut so. Keiner versteht sein Handwerk derart meisterhaft wie der Franzose: Er verpackt in kürzester Zeit die wildesten Melodien und würzt sie mit großer Detailverliebtheit so, dass ein stimmiges Ganzes entsteht. "All Wet" macht da keine Ausnahme: In einer zirka halbstündigen Session überschreiten nur drei Songs die magische Drei-Minuten-Grenze. Dieses Mal holt sich Quentin Dupieux so viele Feature-Gäste wie noch nie dazu. Viele Köche verderben den Brei? Mitnichten.
"Ok Then" startet opulent mit einer funky Bassline und aufgekratzten Streichern, gegen Ende deutet sich schon ein wenig die Verrücktheit Oizos an. "Sea Horses feat. Tétanos" setzt daran an, der Beat wummert ordentlich und die beiden spielen fröhlich mit Vocals und Samplern.
Dann nimmt "All Wet" ein wenig Fahrt auf, mit fiesen Synthies, einem Besorgnis erregenden Alarm und explizit-frivolen Lyrics von Rüpel-Lady Peaches in "Freezing Out". Im einminütigen "Oiseaux", auf Deutsch 'Vögel', erwartet den Hörer ein wilder Schwarm völlig durchgeknallter Samples, den eine gleichbleibende Scratch-Melodie im Zaum hält.
Mr. Oizo zeigt dem Altmeister und Rotzbremsenfetischist Giorgio Moroder, wie man einen vernünftigen Song mit Charli XCX produziert: "Hand In The Fire" kokettiert mit sexuellen Anspielungen, flankiert von aufheulenden Keyboardsounds und einem ekstatischen Technobeat. Die Stimme der Britin wirkt neben dem elektronischen Getöse wohltuend und schmeichelnd.
Die Mitte des Albums birgt jedoch des Pudels Kern: Hier können sich angehende DJs eine Scheibe abschneiden. Angefangen mit "No Tony" in Zusammenarbeit mit Francesco 'Phra' Barbaglia, die eine Hälfte von den Crookers. Der Italiener verpasst diesem cheesy Hit eine Italo-Disco-Attitüde, die einfach sympathisch ist und zu der man vergnügt mit einem Aperol Sprizz schunkelt. Die Vorab-Single "End Of The World" mit Skrillex entpuppt sich hingegen als der einfachste Track auf der Platte: 90s-Technobeat, klassischer House-Songaufbau und kleine Anleihen an die Bangarang EP. Simpel, aber ungemein effektiv.
Der absolute Knaller ist "Ruhe feat. Boys Noize": hektische Metronomschläge, unheimlich bratzender Synthiebeat, eine kleine Aufhellung im Mittelteil zum Durchschnaufen, nur um dann das Ende wieder unruhig ausklingen zu lassen. Ein perfektes Rave-Brett vom Allerfeinsten in gerade einmal 2:39 Minuten.
Mr. Oizo überzeugt nicht nur mit seinen peniblen Arrangements, sondern auch mit durchdachter Metaphysik. Das Cover zeigt Flat Erics Gesicht in übergroßem 8-Bit-Format. Dies findet sich musikalisch auf dem Album wieder. Der Titeltrack mit Siriusmo ist ein schöner Synthwave-Song, der die 80er atmet und den Hörer davon träumen lässt, wie er mit einem Ferrari Testarossa bei Nacht durch die neonlichtdurchfluteten Straßen Miamis heizt. In "Your Liver" offeriert eine weibliche Computerstimme einen äußerst fragwürdigen Deal: "Give me your liver / and I'll give you my heart" - auf einem unheilvollen Chiptune-Beat. "The One You Buy" stellt sich als klaustrophobisches 8-Bit Gruselkabinett mit einem rückwärts abgespieltem Loop heraus.
Einiges wirkt auf "All Wet" hingegen verstörend, wenn beispielsweise das mit einem David Lynch-mäßigen Sopran-Saxophon-Sample ausstaffierte "Chairs" auftaucht oder in "Goulag Drums" metallische Schläge, Sirenen und ein seltsam verwirrendes Funk-Lick Fragen aufwerfen. Ohnehin entlässt Mr. Oizo seine Hörer verdutzt aus dem Album: "Useless" sträubt sich gegen jegliche Form von Melodie und die Computerstimme wird durch den elektronischen Fleischwolf gedreht.
"All Wet" schmeckt unterm Strich nicht wie ein lieblicher Weißwein für nebenbei, sondern wie ein jahrelang in Fässern gereifter, komplexer Roter, der volle Aufmerksamkeit verlangt. In einer halben Stunde presst der Franzose mit großer Leichtigkeit verschiedene Stile zusammen, ignoriert gängige Songstrukturen sowie aktuelle Trends und wirkt auf diese Art und Weise angenehm frisch und unverbraucht. Mit jedem weiteren Durchgang eröffnen sich filigrane Elemente, die das Mosaik zusammensetzen. Nach dem für seine Verhältnisse geradlinigen "The Church" glänzt Dupieux erneut mit einer wilden Mixtur in straffem Tempo. Chapeau, Monsieur Oizo!
2 Kommentare mit 3 Antworten
so gar nicht meine musik. aber er dreht geile filme!
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Analog Worms Attack ist sowas gut vong Albung her. Gleich mal einlegen.
also ich mag an elektronischer musik ungefähr dass, was der werter herr anwalt hier so bespricht. hab aber lange nichts elektronisches mehr gehört aber die mr oizo filme taugen wirklich. er war jetzt in 4-5 jahren fast jedes jahr mit nem film auf dem fantasy filmfest vertreten und die waren schon cool. halt der totale mindfuck. dauernd könnte ich es nicht sehen
ist nicht meine Musik, werde ich aber aus Neugier beim Training austesten. Mal gespannt!