laut.de-Kritik

Hemdsärmeliges Handwerk und Ohrwürmer satt.

Review von

Taucht nach Jahren in der Versenkung ein (vermeintliches) One Hit Wonder wieder auf, wird vorab gerne müde abgewinkt. Bei Ray Dorset und seiner neu formierten Band verhält es sich anders: "In The Summertime" ist noch immer einer der wenigen unpeinlichen Sommerhits. 2011 legen Mungo Jerry eine Platte vor, die eine Menge positiver Überraschungen bereithält.

Der Titel des 97er Longplayers "Old Shoes New Jeans" geht problemlos als Kurzbeschreibung der neuen, satten 17 Tracks (und einer Reprise) durch. Mungo Jerry haben sich zu ihren kampferprobten Skiffle-Boots ein frisches Beinkleid besorgt, was in der Summe kräftiges Retro im Sound von heute bedeutet. Natürlich nicht mit irgendwelchen Sperenzchen aufgepeppt, sondern blitzsauber handgemacht, und mit reichlich Drive versehen. Nur einmal geraten Mungo Jerry in die Gefilde des offensichtlichen Selbstzitats: bei "I Wanna Live In The Sun" klint der Seventies-Hit "Lady Rose" an.

Mungo Jerry lassen sich keine Zeit für gemächliches Aufwärmen, sondern gehen vom Start weg in die Vollen: "Cool Jesus" und "John Henry" servieren auf Anhieb das ganze altmodische aber ansprechende Skiffle-Inventar mit Banjo, Mundharmonika und Waschbrett. Dorset singt sich mit unverwechselbarer Stimme immer stärker in Exstase. "Far Away" gewinnt dem Ganzen beschwingt-mitreißende Cottonpickin'-Momente ab. Wo andere Musiker gern überflüssige Ballädchen auf ihren Alben platzieren, machen Dorset & Co. munter weiter Dampf. Mehr noch: trotz hoher Track-Anzahl findet sich kein einziger ruhigerer Song auf "Cool Jesus".

"Let's Rock" bringt seine Botschaft auf den Punkt: hier rocken Mungo Jerry in einer Elvis-liken Fifties-Garage, und verbeugen sich gekonnt vor Gene Vincents unsterblichem "Be-Bop-A-Lula". Dieser Track atmet aufs Wesentliche konzentriert - nicht reduziert - den Geist früher Pioniertaten des Rock'n'Roll, ein Riesen-Hörspaß! Dass dieses Feuer noch immer zündet, beweisen neuzeitlich so nicht nur Brian Setzer oder Imelda May."Give Us A Song" vereint neben den rockenden Fünfzigern auch Sixties-Hammond-Orgel mitsamt quirligem Honky Tonk-Piano.

Immer wieder spucken Mungo Jerry Highlights in Sachen Ohrwürmern aus. Gerade das macht ihre Songs reizvoll: das Gesamtkonstrukt ist den Musikern wichtig. Die Wege zum Refrain stehen gleichberechtigt neben dem eigentlichen Song-Höhepunkt. Folgerichtig warten dabei eine Menge entdeckenswerte Arrangements auf den Hörer.

Mitunter lockt ein Mundharmonika-Intro in (vermeintliche) Bob Dylan-Gefilde, um dann ohne Vorwarnung auf hemdsärmeligen Sixties-Pop umzuschalten. Blues und Bluesrock schimmern immer wieder durch, ohne eindeutig die Oberhand zu gewinnen. Vier Mann sind ausreichend für eine überdurchschnittlich gute Band - siehe The Beatles. Neben Dorset an Mikro und E-Gitarre bilden Bassist Winnie Martin, Thorsten Luederwaldt (Tasteninstrumente) und Drummer Martin Troike ein eingespielte Einheit mit hörbar Spaß am bunten musikalischen Treiben.

Wie Pop funktioniert, hat Dorset seit "In The Summertime" längst begriffen. Mungo Jerry wissen aber auch um die Notwendigkeit echter Gefühle. Die mehr als solide Grundlage aus Blues, Rock und Skiffle lässt Beliebigkeit gar nicht erst aufkommen. Lange klangen die frühen Seventies nicht mehr so frisch und vergnüglich wie auf "Cool Jesus".

Trackliste

  1. 1. Cool Jesus
  2. 2. John Henry
  3. 3. Far Away
  4. 4. Let's Rock
  5. 5. Give Us A Song
  6. 6. Hello Baby
  7. 7. Just Her Way
  8. 8. Going Up The River
  9. 9. You Can Get It If You Want It
  10. 10. I Lie Awake
  11. 11. Red Leather & Chrome
  12. 12. Lucky Girl
  13. 13. I Wanna Live In The Sun
  14. 14. We Are The Same
  15. 15. Praying So Hard
  16. 16. He's Got The Whole World In His Hands
  17. 17. Mama Don't Allow
  18. 18. Give Us A Song (Refrain)

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