laut.de-Kritik
Beatsteaks, Harmful und Blackmail gründen eine neue Band.
Review von Eberhard DoblerAm Anfang steht eine kurze Rückkopplung, bevor trockene Drums losdreschen, harsche Gitarren die Atmosphäre dominieren, und Ex-Blackmail-Sänger Aydo Abay unaufgeregt die Stimme erhebt: "Deutschlands Gitarren-Subkultur hat eine neue Supergroup". Diesen griffigen Promoaufschlag darf man so stehen lassen. Schließlich spielen Musa Dagh Noiserock ohne Bassist und mit einschlägigem Personal: Neben Abay bilden Songwriter Aren Emirze (Harmful, Taskete!) und Beatsteaks-Drummer Thomas Götz die Band, ergänzt um Producer Moses Schneider (u.a. Beatsteaks, Tocotronic, AnnenMayKantereit) sowie zuweilen dosierte Elektronik oder Streicher im Soundbild.
"Coin" mündet in der Folge in einen versöhnlichen Schlusspart, der vielleicht an die Smashing Pumpkins denken lässt. "Superhuman Gift Shop" nimmt etwas Tempo heraus, braust aber weiter wie ein Sturm voran. Vom ersten Takt an stecken Musa Dagh ihr Terrain ab: Die Songs leben gleichermaßen vom Lärm (Drums und Gitarren) sowie Abays teils hellen Vocals ("Less Morphine").
Musa Dagh klingen beim ersten Aufeinandertreffen ziemlich anstrengend. Mit zunehmender Spielzeit bleibt die Band zwar sperrig und rüde, die dicht arrangierte und intensive Platte, die teils von sphärischen Parts unterbrochen wird (etwa bei "Halo") gewinnt aber stetig an Faszination. Beim versöhnlichen, mit Shakereinsatz versehenen "Plural Me" denkt man flüchtig an Notwist. "Like/Love" fährt in den Strophen Postpunk-Feeling auf. Der Track steht stellvertretend für die spezielle Atmosphäre, die Musa Dagh entwickeln. Als verbindende Klammer darf man wohl die 90er-Jahre bemühen.
Die Prominenz der Protagonisten müsste zwar die Verkaufs- oder Streamingzahlen befördern, bei der Produktion können diese aber kaum im Vordergrund gestanden haben: Man sieht die Band förmlich vor dem inneren Auge in Götz' Proberaum nebeneinander stehen - ein "abgerockter Raum in einer Gaswerksiedlung im Berliner Bezirk Lichtenberg"- wie kolportiert wird, um die Platte einspielen.
Der Sound passt jedenfalls zum vorab formulierten Willen, sich möglichst aus den jeweiligen musikalischen Kontexten zu lösen. Dabei sei man eher intuitiv und lustvoll, denn mit Plan vorgegangen. Man habe etwas abliefern wollen, das man so von sich selbst noch nicht gehört habe. Mission accomplished, darf man da gratulieren. Auch, wenn etwas mehr Eingängigkeit, wie in "Kool Aid" vorgeführt, niemanden abgeschreckt hätte. Aber das wollten die Bandmitglieder ganz offensichtlich gar nicht, hört man sich den düster-doomigen Titeltrack an, ein Instrumental, der die gerade mal etwas mehr als eine halbe Stunde Spielzeit beschließt.
"Musa Dagh" hört man am besten komplett am Stück, um besagte Faszination nachzuvollziehen. Greift man sich nur einzelne Stücke heraus, bleibt dagegen erst mal ein Fragezeichen stehen.
5 Kommentare mit 2 Antworten
Brett.
Bretter.
Für mich ein später AdJ-Kandidat. Großartige Platte.
sign.
Gehört 4/5
4/5 geht in Ordnung. Würdige Nachfolger von Blackmail.
Möchte nochmal auf das andere Abay-Projekt aus diesem Jahr hinweisen: Freindz.
https://www.youtube.com/watch?v=Hj1FaJ5nD0s
Das Album steht diesem in nichts nach, wenn auch nicht ganz so hart.