laut.de-Kritik

Die olle Jacke passt wieder!

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Nachdem My Morning Jacket die "Waterfall"-Sessions aus dem Jahre 2015 mit gleich zwei Alben - einem besseren, einem schlechteren - ausweideten, steht mit dem selbstbetitelten "My Morning Jacket" nun der Nachfolger. Die Vorgängerscheiben brachten nicht nur kommerziellen Erfolg, sondern im Vergleich zu faden Angelegenheiten wie "Circuital" auch mehr Wohlwollen in den Feuilletons. Mit der Qualität der zeitgleich erscheinenden Solowerke von Sänger Jim James und Gitarrist Carl Broemel konnte aber auch das "Waterfall"-Schaffen nicht mithalten - der Frontmann klingt seit nunmehr mehreren Jahren bedeutend frischer.

Kann das im 64 Sound-Studio in Los Angeles aufgenommene "My Morning Jacket" also den Nachweis antreten, dass diese Band überhaupt zu einem Mehrwert fähig ist, nachdem die Künstler selbst laut über eine Auflösung der Gruppe nachdachten? Ja.

Jim James, der das Album produzierte, und seine Mannen kreieren auf "My Morning Jacket" einen Drive, der ihnen lange Zeit abging, und eine Dynamik im Modern-Southern-Rock-Gewand, mit der die Musiker zurzeit allein auf weiter Flur stehen. Und tatsächlich wollte die Band aus Louisville auch genau das hinbekommen, wie sie in Interviews und Pressetexten verlauten ließen. Man kann sich in diesem Album verlieren, mit dem Kopf auf dem Schoß der Liebsten in Richtung Nacht gleitend. Ohne Gefahr, einzuschlafen, denn diese Platte ist Rock im besten Sinne. Und anders, als die Band es behauptet, keinesfalls mit Livetouch oder roh, sondern bemerkenswert distinguiert und ausformuliert.

"Never In The Real World" hat einfach Kraft an den richtigen Stellen. Das Albumhighlight "In Color" ist ein richtig, richtig toller Song mit bravourösem, komplexem Aufbau (die Drums um Minute vier!), der trotzdem jederzeit organisch und alternativlos voranschreitet. Allein dafür hat es sich für die fünf Männer gelohnt, sich zusammenzuraufen. "Least Expected" zeigt die Kentuckians mit seit "It Still Moves" nicht mehr gekannter Spiellust. Dazu passt, wie viel Zeit sich die Band bei "The Devil's In The Details" nimmt, und dabei so souverän und selbstsicher auftritt - die Allmans wären stolz. Dann dauert der Build-up hier und auf "Out Of Range, Pt. 2" halt ein paar Minuten - und fühlt sich trotzdem zu kurz an. Auf "Complex" gibt man überzeugend Wolfmother, hier und quer durchs Album hat Keyboarder Ko Boster einiges zu tun und trägt viel zur Breite und Pose des Werks bei.

Zwar reichen die Songideen nicht immer, um das Niveau ganz oben zu halten ("Love Love Love"), veritable Mottenlöcher in der Morgenjacke sind aber nicht zu finden. Eindimensionale Tracks wie "Never In The Real World" oder "Lucky To Be Alive" fächern die Musiker auf und jammen alles ungekünstelt in Grund und Boden, bis man versöhnt ist.

James' Texte halten dazu das Niveau des Solooutput. Dazu gehört spätestens seit "Eternally Even" eine große Verlorenheit im Angesicht des Geschehens, das auf "Regularly Scheduled Programming" besonders gut nachzuhören ist, allerdings gerne mal ins Weinerliche abdriftet. Macht aber nichts, wenn die Sprachbilder wie in "Never In The Real World" sitzen: "Only after midnight / Only in a trance/ Head all full of spirit/ Stumblin' when I dance". Man kauft dem Frontmann den leise lachenden, angeschickerten Durchblick ab, wenn er auf "Uniform Distortion" Bock hat, richtig zu singen, ohne sich jemals in den Vordergrund zu spielen.

"My Morning Jacket" ist trotz James' bedeutender Rolle ein Bandalbum geworden, mit viel Platz für alle fünf Mitglieder. Das tut der Platte gut - und gutgelaunte My Morning Jackets tun dem ganzen Genre Americana-Rock gut. Hört sich die Band aus Kentucky so an, wenn sie ohne Plan ins Studio geht, dann sollte sie nie wieder anfangen nachdenken.

Trackliste

  1. 1. Regularly Scheduled Programming
  2. 2. Love Love
  3. 3. In Color
  4. 4. Least Expected
  5. 5. Never In The Real World
  6. 6. The Devil's In The Details
  7. 7. Lucky To Be Alive
  8. 8. Complex
  9. 9. Out Of Range, Pt. 2
  10. 10. Penny For Your Thoughts
  11. 11. I Never Could Get Enough

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