laut.de-Kritik

Der Hippie mit der Federboa öffnet sein Herz.

Review von

Die Initialzündung für "Spritus Mundi" geht auf den amerikanischen Musiker Andrew Laitres zurück. Dieser fragte Nad Sylvan nach einer gemeinsamen Kollaboration. Gefragt, getan, "The Lake Isle Of Innisfree" fand seinen Platz auf dem Vorgängeralbum "The Regal Bastard".

Diese Platte markierte gleichsam den Abschluss einer Trilogie. Der selbsternannte Vampirate pflegte darauf seine Version des barocken Progressive Rock. Nun erinnert sich Sylvan an die Zusammenarbeit mit Laitres und pflegt eine neue Perspektive in das von progressiven Momenten durchwirkte Schaffen des Künstlers ein.

Der Sänger von Steve Hacketts Genesis-Revisited-Combo wendet sich ähnlich der gesanglichen Vorbilder Peter Gabriel und Phil Collins wiederholt anderen musikalischen Ufern zu und spricht bedeutend mehr Herz als Hirn an. Als Vorlage dienen ihm Gedichte des irischen Litertur-Nobelpreisträgers William Butler Yeats.

Den musikalischen Vorboten sendete der blondgelockte Schwede mit "You've Got To Find Your Way", der jedoch textlich aus dem Yeats-Rahmen fällt. Der naive Lovesong verbindet Love and Peace mit der Federboa und schafft es immerhin als Bonus-Track auf "Spiritus Mundi".

Der literarische Output von Yeats strotzt vor mythologischen Anspielungen und Doppeldeutigkeiten. Die Klasse dieses Stoffes bedingt, dass Sylvan bewusst auf musikalische Manierismen wie auf den Vorgängerwerken verzichten und sich ganz dem Vortrag hingibt.

Der Multiinstrumentalist nutzt das Momentum der Ruhe zu einer fantastischen Gesangsleistung. Durch die Kooperation mit Laitres sowie befreit von der Last des Texters geht er ähnlich wie bei den fantastischen Performances mit Hackett gänzlich in seiner Rolle als Interpret auf.

"The Stolen Child", eines der frühen Gedichte aus der Feder von Yeats, eignet sich in seiner schematischen Anordnung aus Strophe und Refrain perfekt für eine Song-Vertonung. Entsprechend häufig fand das Gedicht Verwendung, sowohl im klassischen Gewand als auch im popkulturellen Kontext.

Die Vertonungen bewegen sich zwischen konventionellen Liedstrukturen und einer klassisch-minutiösen Ausleuchtung des textlichen Geschehens. Während im ersten Fall ein Stimmungsbild die Musik dominiert, erweist sich im zweiten Fall die Musik deutlich sprunghafter. Mit Blick auf die Instrumentierung dominieren Singer/Songwriter-Gitarren sowie kammermusikalisch eingesetzte folkloristische wie klassische Instrumente.

Der Input von Sylvans Kumpel Steve Hackett beschränkt sich auf ein wenig 12-String-Geschrumme. Einzig die filigranen Einwürfe des omnipräsenten Bass-Oktopus Tony Levin (King Crimson) sowie das nervöse Drumming im hypnotischen "The Hawk" sorgen für einige virtuose Einsprengsel.

"The Witch And The Mermaid" setzt sich aus zwei Kurzgedichten zusammen und gehört trotz der kurzen Spielzeit des Stückes zu den spannendsten Versionen auf "Spiritus Mundi". Hier folgt die Musik dem jeweiligen lyrischen Gestus. Einige Zeilen aus "The Fisherman" zweckenfremdet der 61-Jährige für einen einprägsamen Chorus. Der Song lebt von einer tollen Dynamik, dem Wechselspiel aus Laitres und Sylvans Stimmen und markiert das Highlight der Platte.

Sylvan setzt der allgegenwärtigen Trias aus Katastrophe, Krawall und Karacho eine akustische Oase der Ruhe entgegen. "Spiritus Mundi" entfaltet sich am besten im gemäßigten Rahmen. Ob man nun Räucherstäbchen, Alkohol oder härteres Zeug benötigt, um in den Nirvana-nahen Geisteszustand der idealsten Rezeption zu gelangen, liegt im Ohre des Belauschers.

Trackliste

  1. 1. The Second Coming
  2. 2. Sailing to Byzantium
  3. 3. Cap and Bells
  4. 4. The Realists
  5. 5. The Stolen Child
  6. 6. To An Isle In The Water
  7. 7. The Hawk
  8. 8. The Witch and The Mermaid
  9. 9. The Fisherman

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