laut.de-Kritik

Raps cooler Onkel zwischen Newcomer-Attitude und Sechzehner-Linkedin-Posts.

Review von

"In a Range Rover, dissectin' bars from 'Takeover' / Sometimes I text Hova like 'N*gga, this ain't over, laughin'", rappt Nas in der auf Anhieb viralsten Zeile seines neuen Albums. Die dritte Auflage seiner Hit Boy-Kollabo "King's Disease" installiert den New Yorker einmal mehr als Gegenstück zu Jay-Z. Die beiden, um die Fünfzig, dienen in der Gegenwart als Blaupausen dafür, was es heißt, als Rapper zu altern. Und während sich der ehemalige Pimp als lyrischer, sozialkritischer und geschmackvoll souliger Business-Mogul neu erfunden hat, hat Nas nach zwanzig unebenen Jahren vor allem dank Producer Hit-Boy seinen Hunger am Rappen wiedergefunden. Als gut aufgelegter Elder Statesman seines Genres begegnet Nas der Rap-Gegenwart in seinen besten Momenten wie ein cooler Onkel, der so manche Geschichte zu erzählen weiß, in seinen schlechteren aber wie ein Sechzehner-gewordener Linkedin-Post.

Man muss ihm natürlich erst mal überhaupt den Respekt dafür geben, dass er mit 49 wieder so rappt, als wäre er ein Newcomer, der in der Industrie durchstarten will. Rein qualitativ hält das vierte Album in drei Jahren einen beeindruckenden Standard. Das liegt unter anderem auch an den Produktionen, die Nas' New York-Background zwischen 1993 und 2001 nicht nur auf DJ Premier reduziert. Hit-Boy schnappt sich nicht nur die staubigen Boom Bap-Loops, sondern auch ein paar cleane Pianoloops oder orientalische Streicher. Also jene musikalischen Ideen, mit denen er auf seinen notorisch schlechter instrumentierten Alben experimentiert hat und die in den Händen eines Fachmanns wie Hit-Boy zeitlos elegant klingen.

Entsprechend verstanden, scheint sich Nas zu fühlen, der zwischen Nostalgie und Gegenwart hin und her schaltet. Und er weiß inzwischen, wie man Throwbacks so einsetzt, dass sie einen nicht zum Legacy-Act degradieren, sondern lediglich das legendäre Erbe unter der Oberfläche durchblitzen lassen. Wenn er zum Beispiel auf "Thun" im Outro "The Bridge Is Over" anklingen lässt, dann zeigt ihn das als einen euphorisch nerdigen Hip Hop-Historiker, dessen Scheuklappen nie hochgeschnappt sind.

Cooler wird das nur auf einem Song wie "First Time", auf dem er seinen Hype schildert, 2009 das erste Mal Kendrick Lamar gehört zu haben, der ihn daran erinnerte, das erste Mal Slick Rick oder Biggie gehört zu haben. Oder wenn er auf "30" erinnert, das DJ Premier-Album könne noch passieren. Es gibt eine Menge Stellen, in denen Nas wie in seiner Blüte rappt, als wäre rappen die spaßigste Sache der Welt, und dabei "King's Disease 3" wirken lässt wie ein aktiver Moment Rapgeschichte. Aber selbst wenn er nicht wie ein aktives Happening wirkt, gibt es smoothe Banger wie "Hood2Hood".

Und dann gibt es die Momente, in denen er geistig an die "Hashtagging Sunday Funday"-Stellen des Vorgängers anschließt. Wenn er auf "WTF SMH" erst eine Menge Jungedsprache-Abkürzungen verarbeitet, um am Ende das YSL-Adlib "Slatt" zu verwursten, fühlt sich das wie die Verlesung des Jungedwortes des Jahres an (dabei zeigt er auf Songs wie "Hood2Hood", in dem er Drakeo The Ruler referenziert, dass er wirklich hip mit der jungen Rapgeneration ist). Das Intro zu "Get Light" verursacht ebenfalls ein bisschen Gänsehaut: "Ladies, fellas / I know some of the most intelligent women in the world is listenin' right now / And all the realest brothers is like, uh" - und diese Momente kehren von Anfang an wieder. Momente, in denen Nas mit stiefväterlicher Attitüde aufrappt, als müsse er den Jünglingen noch etwas beibringen. Dann ist alle Lockerheit verloren und man merkt wieder, dass Nas eben doch eher sein Erbe verwaltet als Neuerfindung betreibt.

Und das ist schließlich die Krux: 21 Savage sagte neulich in einem Podcast, Nas sei gut, aber für die aktuelle Generation nicht relevant. Und dieses Album scheint quasi der Beweis dieser These zu sein. Im Gegenzug zu Jay, der es geschafft hat, als Figur auch für die aktuelle Rappergeneration von größter Relevanz zu bleiben, hat Nas sich doch spürbar in eine komfortable Bubble zurückgezogen.

Wie fast alle seiner modernen Alben bietet "King's Disease 3" einen angenehmen, interessanten Hördurchgang, der Nostalgiker überglücklich zu machen vermag, aber vermutlich kaum jemanden neu in das Phänomen Nas einführen dürfte. Es fehlt der künstlerische Vorstoß, der sich von selbst verbreitende Imperativ, die definitive Single. So sauber, hungrig und solide auch dieses Album sein mag, wie vieles am modernen Nas ist es für einen Rapper in der Goat-Konversation einfach viel zu leicht zu ignorieren.

Trackliste

  1. 1. Ghetto Reporter
  2. 2. Legit
  3. 3. Thun
  4. 4. Michael & Quincy
  5. 5. 30
  6. 6. Hood2Hood
  7. 7. Recession Proof
  8. 8. Reminisce
  9. 9. Serious Interlude
  10. 10. I'm On Fire
  11. 11. WTF SMH
  12. 12. Once A Man, Twice A Child
  13. 13. Get Light
  14. 14. First Time
  15. 15. Beef
  16. 16. Don't Shoot
  17. 17. Til My Last Breath (Bonus Track)

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8 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Wenn einem die Kritikpunkte ausgehen, muss man wohl das Standing oder die Relevanz des Artists heranziehen, um die Wertung zu rechtfertigen, oder wie hat man das zu verstehen? Album ist mindestens ne 4/5 und meiner Ansicht nach noch besser als die Projekte mit Hitboy davor. Nas hat(te) einen Wahnsinns-Run im Spätherbst seiner Karriere, da kann auch ein Jigga nicht mithalten (um hier auch mal nen sinnlosen Jay-Z-Vergleich zu bringen wie in der Review).

    • Vor 2 Jahren

      Album ist mind. 4/5 und vielleicht das beste seiner Spätherbst-Reihe, stürmt zwar nicht in die heilige Top 5 (Illmatic, IWW, Stillmatic, Lost Tapes, Gods Son) aber ist nahe dran. Nächstes Jahr wird er 50. Best Of Album oder Song-Liste kommt. :-) Es ist auch vollkommen egal, wie (ir-)relevant er für für jüngere ist. Die werden, wenn älter, das Phänomen entdecken und lieben. Wie jetzt auch schon.

    • Vor 2 Jahren

      Ihr kommentiert hier immer noch unter einem Gölz-Review. Es kann keine gute Bewertung geben, wenn das Album nicht genug zertifizierte Banger enthält, die auf Tiktok viral gehen.

    • Vor 2 Jahren

      Mensch, dann scheint das Ding wohl nicht so genuin zu slappen

  • Vor 2 Jahren

    Für mich best Rapper alive. Von Hip Hop ist Dead 2004 bis Nasir 2018 richtig reingeschissen bei der Beatauswahl, aber trotzdem immer mindestens solide im Vortrag. Seit Kings Desease 1 aber einfach wieder überragend.

  • Vor 2 Jahren

    Für mich besser als Teil 2 und 1. Jedoch gefallen mir die Beats von Hit Boy nur bedingt, aber Rap-technisch bewegt sich Nas auf allerhöchstem Niveau. Es gibt nachwievor keinen der besser ist. Und da nervt die subjektive Meinung von Yanik. Ich bin sowieso der Meinung, Alben sollten im Team rezensiert werden und nicht nur von einer Person. Von mit gibt es 5/5, weil Nas einfach weltklasse rapt. Ich hoffe es gibt irgendwann ein Album von Nas, dass durchgehend von DJ Premier, Pete Rock und Large Professor produziert wird. Also ein zweites Illmatic. Weil so gut wie Nas gerade drauf, wäre das der absolute Wahnsinn.

  • Vor 2 Jahren

    Ich würde ihn jetzt nicht als Best Rapper Alive bezeichnen, aber der flowt wirklich super angenehm auf dem Teil (und auf den beiden Alben davor ebenfalls). Das macht schon wirklich Spaß zuzuhören, auch wenn mir für ein "großes Werk" der emotionale Zugang fehlt. Und die Beats sind, wie schon mehrfach erwähnt, leider halt im besten Fall gefällig. Ich würde es wie die Vorgänger mit guten drei Punkten bewerten, aus der Trilogie könnte man wohl ein richtig starkes Album rausschälen.

    Der etwas arg strapazierte Spätwerk-Vergleich mit Jay-Z hinkt allerdings gewaltig. Hova ist doch, wenn er es überhaupt ist, bei "den jungen Leuten" nicht wegen 4:44 relevant, sondern wegen seines Celebrity-Status und der Vielzahl an Hits im Backkatalog, mit denen Nas dann so nicht mithalten kann. Hätte Jay-Z KD3 releast und Nas 4:44 würde das nichts an deren Rezeption ändern, außer das Nas dann mal wirklich gute Beats berrappt hätte.

    • Vor 2 Jahren

      Hatte bei der Relevanz von Jay-Z einen ähnlichen Gedanken und eigentlich schreibt es auch schon Yannik, da er ja in dem Punkt von der "Figur" spricht und nicht von dem Rapper.
      Dennoch ist Jay-Z durch seine Features und seine Versatilität schon etwas näher dran, am aktuellen Sound als Nas, aber nicht so nah , als das man seinen Einfluss wirklich heraushören könnte .
      Im Grunde muss man auch sagen, dass 21 einfach recht hat und diese Aussage fast auf alle Rapper zutrifft, die länger als 10 Jahre dabei sind. Man könnte jetzt Drake sagen, aber der rennt einfach nur Trends hinterher, als wirklich welche zu setzen.

  • Vor 2 Jahren

    Finde die 3/5 schon passend. Nas liefert hier ab wie Sau und gefällt mir noch ein ganzes Stück besser als auf den beiden Vorgängern.
    Aber die Beats sind halt größtenteils... naja... da. Nerven nicht, machen nix kaputt, aber richtig geil find ich nur den von Legit. Der Rest dröppelt so vor sich hin.
    Lass doch ma kommen, das Premo Album!

  • Vor 2 Jahren

    Es ist zwar lange her, aber Nas Is Like, ist für mich der beste Rap Track, der je produziert wurde. Und auf diesem Album rappt er wie damals.