laut.de-Kritik
Eine E-Gitarre reicht nicht, um zu rocken.
Review von Philipp GässleinMit Verwunderung erfüllt der Auftakt des neuen Erzeugnisses aus dem Hause Natural: "It's Only Natural" legt mit einem Ragtime-Intro los. Verwunderlich auch, dass die fünf Jungs trotz abgeschlossener Musikausbildung nicht wissen, dass ein "Interlude" für ein Zwischenspiel steht und deshalb als Opener Pre ... aber Schwamm drüber. Das nächste Mal einfach Popstars gucken. Die wissen, wie's geht.
Der erste Eindruck der Platte ist trotzdem eindeutig gut. Natural beschränken sich bei den ersten Tracks nicht auf simplen Keyboardpop, sondern warten, ganz im Stil der Boygroup-Kollegen von Five, mit einer echt rockigen E-Gitarre auf. Das ändert sich leider bereits bei "What If", einer superschmalzigen Katastrophe, die man sonst von einem Haufen dilettantischer Semiprominenter kennt, die Hand in Hand für hungernde Kinder auf der Bühne stehen.
In "Strange" versucht man sich an einem typischen Brian May-Gitarrensolo, das gar nicht mal so schlecht rüberkommt. Kontrovers sind eher die Melodien: Fans würden sie wohl eingängig nennen, der Rest bezeichnet so was schlicht als schlecht. "Coming Up" startet mit einem Intro, das in dieser Form auch von Bon Jovi eingespielt sein könnte. Doch wer sich vorschnell freut, wird enttäuscht, denn nach 20 Sekunden rutscht der Song in altbekannte Billigpopgefilde ab. In diesen Kontext passt auch "3 Miles", dessen glänzender Text ("Amy went to Hollywood... searchin' for a better life... she wanted to be a movie star") einfach nur zum Gähnen bringt. Jungs, feuert eure Songschreiber. Besser als die könnt ihr es allemal!
Dass Natural durchaus was drauf haben, blitzt in "One Day To Late" zum ersten Mal auf. Der eindeutige Höhepunkt der Scheibe besticht durch eine interessante Musikalisierung, Rhythmus- und, man höre und staune, sogar Harmoniewechsel - Respekt! Dafür gibt es in der Folge gleich einen richtig derben Schlag in die Magengrube: "Now Or Never" weist eine Melodie auf, die jeder schon mindestens drölfzig mal gehört hat, und das gleich von einem Dutzend verschiedener Bands. Wozu solche Lückenfüller?
Mit "Rock The World With You" versuchen Natural erneut, sich von ihren Kollegen abzuheben, und kommen dabei so glaubwürdig rüber wie Britneys Version von "I Love Rock'n'Roll". Den Verzerrregler der E-Gitarre raufzudrehen ist eben nicht der einzige Faktor, der erfüllt werden muss um zu rocken. Das wird erst recht bei "I Don't Think Of You" offensichtlich. Der Versuch, einen vorhersehbaren 0815-Poprefrain auf ein Heavy Metal-Riff zu legen kommt einfach nur peinlich. Gut, Teenies, die im Zuge ihrer Selbstfindungsphase einen auf hart machen wollen, könnten ihnen das ja noch abnehmen. Und die sind wohl auch die Zielgruppe.
Man muss Natural auf jeden Fall zugute halten, dass sie sich nicht in die lemminggleiche Schar hirntoter Castingbands einreihen wollen und eigene Ideen mit einbringen. Das Zeug dazu haben sie auch. Nun müssen sie lernen, es auch umzusetzen.
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