laut.de-Kritik

Sakrale Klänge aus der Kitschhölle.

Review von

Wie sang der kürzlich verstorbene Tom Petty in einem seiner zahlreichen Evergreens: "You can stand me up at the gates of hell/ but I won't back down." Immerhin stehen wir hier nicht an der Pforten der Hölle, sondern nur in den klebrigen Gefilden des Kitschsumpfes, als deren Gatekeeper sich Naturally 7 mit "Both Sides Now" outen.

Was die sieben Sänger gestandenen Künstlern wie Sting, Simon & Garfunkel oder Paul McCartney antun, geht auf keine Kuhhaut. Die ohnehin schon im obersten Regal stehenden Song-Bonbons werden noch mit einer zusätzlichen Zuckerkruste versehen, dass die Zähne schon vom bloßen Zuhören gefährlich wackeln.

Das klingt alles derart harmonisch und wohlklingend, man ist permanent versucht den Kopf auf den Tisch zu schlagen oder sich anderweitig Schmerzen zuzufügen. In Gedanken Abschied nehmend vom unbekümmerten Teil meiner selbst schaue ich dem Bösen des Pop unverwandt ins fiese Antlitz.

Darin erblicke ich zuerst "Jerusalem", die Überhymne Sir Hubert Parrys, geschrieben für das von den Folgen des Ersten Weltkriegs traumatisierte britische Volk. Die 'Band ohne Band' verwurstet das Stück neu in einem Acapella-Gospel-Sound, der so unnötig klingt wie Eminems selbstgefälliger Trump-Disstrack. Zugutehalten kann man dieser Version vielleicht noch den weniger patriotischen Duktus, der wohl auch vom Dichter himself, William Blake, nicht so intendiert war. Ansonsten bleibt der Song wie der Rest der Platte erschreckend blass.

Ein kleiner Lichtstrahl tut sich mit Roberta Flacks "The First Time I Ever Saw Your Face" auf. Perkussion und Snaps geben dem Song ein eigentümliches Tempo und eine eigene Identität, die sich von den Abertausenden anderen Versionen abhebt. In die andere Richtung schlägt das Pendel in "Caught In The Moment" aus, der Song weckt die seltsamsten Assoziationen: Seal in Robin Hood-Strumphosen à la Kevin Costner?

Natürlich ist der Vocal-Klang imponierend, und man mag sich gar nicht vorstellen, wie viel Aufwand in die Aufnahme gelegt worden ist. Doch ändert dies nichts am nervenzehrenden Hörerlebnis. Die Idee, Popmusik des 20. Jahrhunderts und klassisches Songmaterial auf eine Platte zu pressen, klingt in der Theorie ganz nett. Wäre da nicht die fast zwanghaft wirkende Ambition, noch den letzten Tropfen Spiritualität aus den Songs zu destillieren. Wenn sich so in Musik vertonte Spiritualität anhört, dann kommt auch der Besuch beim politischen Aschermittwoch der CSU einem religiösen Ereignis gleich.

Besonders weit erscheint die Kluft zwischen Original und Cover in "Both Sides Now". Klingt das großartige Original Joni Mitchells noch nach einer aussichtslosen Sinnsuche, haben Naturally 7 schon ihr Ende erreicht, von hier an gib es nicht mehr viel zu sagen. Erfolg werden sie mit den zehn Songs wohl dennoch einfahren. Gerade für die ungemütlichen Herbsttage eignet sich das Album wunderbar für den Kamin. Also immer rein damit, dass es grüne Funken schlägt!

Trackliste

  1. 1. Jerusalem
  2. 2. Shape Of My Heart
  3. 3. I Need Air
  4. 4. Going Home
  5. 5. Prince Igor (Here Comes A) Pretty One
  6. 6. The First Time I Ever Saw Your Face
  7. 7. Both Sides Now
  8. 8. Caught In The Moment
  9. 9. Pipes Of Peace
  10. 10. Bridge Over Troubled Water

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