laut.de-Kritik

Ebenso minimal wie cineastisch.

Review von

Navy Blue gehört die längste Zeit nun schon zu einer hochspannenden Garde Abstract Hip Hop-Artists, die in Gefilden liebevoller Kult-Fandoms existieren, ohne den größeren Zeitgeist der Rapszene wirklich zu penetrieren. Vielleicht sollten sie! Denn wenn man gerade auf coole Alben-Artists aus ist, dann erweist sich Navy auch mit "The Sword & The Soaring" wieder als eine sehr heiße Adresse.

Musikalisch finden wir uns sehr nah am großartigen Ka: Navy Blue, der mit ihm auch persönlich befreundet war, teilt dessen Hingabe für große, konzeptuelle Conscious Rap-Alben. In diesem Fall handelt das Projekt vom Tod seines Bruders, verbildlicht durch die Motive Erzengel Michael, Schutz und Heilung.

Sagen wir, wie es ist: Man muss in seiner spirituellen Welt nicht jedes Stück Worldbuilding perfekt raffen, manchmal treibt der Mann einem ein bisschen davon. Aber gerade in Tandem mit Child Actor, dem Stammproduzenten des Projekts, entsteht eine so kohärente und stimmige Atmosphäre, dass es immer mitreißt, in das Album einzutauchen.

Child Actor gehört ebenfalls zu dieser Kohorte Drumless-Produzenten, die mit sehr geringen Mitteln sehr volle Produktionen und Sample-Landschaften komponieren. Verbinden viele dieses Subgenre aber immer noch mit Earls "Some Rap Songs" und dessen schlammiger, mega-abstrakter Sperrigkeit, bietet sich hier ein sehr anderes Soundbild: "The Sword & The Soaring" ist als Projekt klar, kristallin und lichtdurchflutet. Child Actor setzt auf Klavier und Streicher und duckt sich präzise an allen Klischees und Abgegriffenheiten vorbei. Schon auf dem Introtrack "The Bloodletter" türmen sich Pianolines in einer Stille und Erhabenheit auf - es klingt ein bisschen wie die Mixdowns vieler moderner Jazzmusiker, aber es klingt auch cineastisch und direkt. Man fühlt sich in den Film gesogen.

Der große Faktor dafür ist natürlich nicht zuletzt auch Navy Blue selbst, der mit gerade einmal 28 Jahren wie der alte Mann über das Meer rappt. So beschließt er seine Single "Orchards" zum Beispiel so: "Take a look at all that's happening / In this wicked world you hunting or you gathering / Life's tapestry is tattering / Find beauty in the darkness that we battling".

Und es ist gerade die letzte Line hier, die das Album besonders macht: Rap über Trauma gibt es (leider verständlicherweise) viel. Rap über Healing Journeys und dergleichen entwickelt sich gerade ebenso leider sehr ins Terrain des Abgenutzten. Navy Blue skizziert in seiner Reise aus dem Trauma vor allem seinen Prozess, wieder das Gute in der Welt zu sehen. Und tatsächlich arbeitet er in seinen abstrakten Bildern immer wieder luzide Momente heraus und die Konflikte darin, aus der Depression heraus positive Dinge ins eigene Leben einzulassen. "The Sword & The Soaring" ist ein kluges und ehrlich profundes Album, was das angeht.

"Guardadas" scheint in dieser Hinsicht schließlich der herausragende Track zu sein: Nicht nur spielt Navy beklemmend schön mit einem Vocal-Sample, er findet von der Performance bis ins Textliche so viele gute, emotional komplexe Bilder und Kontraste - ebenso wie bei seinem Vorbild Ka wird auch diese Diskographie mit den Jahren nur in Anerkennung wachsen.

Trackliste

  1. 1. The Bloodletter
  2. 2. Orchards
  3. 3. God's Kingdom
  4. 4. Sunlight Of The Spirit
  5. 5. Guardadas
  6. 6. My Heartbeat
  7. 7. Tale Of Truth
  8. 8. Fight On
  9. 9. Kindred Spirits
  10. 10. If Only...
  11. 11. Illusions
  12. 12. 24 Gospel (feat. Earl Sweatshirt)
  13. 13. Here & Now
  14. 14. Soul Investments
  15. 15. Sharing Life
  16. 16. The Phoenix

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