laut.de-Kritik
Eine Hardrock-Watschn, die der Jugend die Röhrenjeans aufrollt.
Review von Yan VogelJesus! Von Nazareth erreicht uns tatsächlich ein weiteres Lebenszeichen. Passend zu Ostern präsentiert das britische Quartett um Bassist Pete Agnew, dem einzig verbliebenen Gründungsmitglied, ihr 25. Studiowerk.
Dem zahnlosen Goodbye des Original-Sängers Dan MacCafferty auf "Rock'n'Roll Telephone" im Jahr 2014 ließ die Band ein starkes Comeback folgen. Den Staffelstab respektive Mikroständer übernimmt fortan Carl Sentance. Die Instrumentalfraktion um Jimmy Murrison (Gitarre), Pete Agnew und Bruder Lee (Drums) bleibt dieselbe wie auf dem Vorgänger "Tattoed On My Brain".
Sangen die Kollegen von Judas Priest im jugendlichen Überschwang noch "Breaking The Law", heißt es nach 54 Jahren eigener musikalischer Vita für Nazareth nun "Surviving The Law". Entsprechend ziert reichlich Rock-Sprech die Lyrics ("Sinner"). Ein wenig Gesellschaftskritik klingt in "Strange Days" oder "Psycho Skies" an.
Dass die Schotten auch gern mal schlicht und einfach dicht sind, legt der Track "Let The Whiskey Flow" nahe. Die hochfrequente Produktion ergibt mit Blick auf die altersbedingte Schwerhörigkeit der Zielgruppe Sinn, wirkt auf halbwegs gesunde Ohren aber schnell ermüdend. Dennoch bieten die vierzehn Tracks erstaunliche Kurzweil. In der Reduktion auf eine musikalische Message präsentiert die Gruppe Songs ohne Schnörkel, die den Katechismus des Rock einmal rauf und runter exerzieren. "Runaway" schlägt deutlich eine Brücke zu den Hits der Frühphase wie "Razamanaz".
Selten streichelt man auf Blues-Basis die Seele ("You Made Me"), meist hagelt es eine zünftige Hardrock-Watschn, dass es jüngeren Vertretern die Röhrenjeans aufrollt. Konsequenterweise verzichten Nazareth auf die handelsübliche Ballade. Statt "Love Hurts" heißt es "Love Breaks", ein Glam-Rocker vor dem Herrn mit Cowbell und Gang-Shouts garniert, der den Bereich zwischen den Ohren gehörig elektrisiert.
Dem derzeit mit atomarer Abschreckung drohenden Dr. Seltsam sei zur Abkühlung der Track "Mind Bomb" empfohlen. Verglichen mit den Altersgenossen Deep Purple oder Magnum haben Nazareth in den vergangenen Jahren Boden gut gemacht. Die Ausfahrt zum Altersheim hat noch Zeit. Die Rock-Rente kann warten.
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