laut.de-Kritik
Sein Menschenhass ist geblieben.
Review von Anastasia HartleibIrgendwie klingt die "Sequel EP" verdammt anders, als Negromans bisheriger Output. Synthetische Bässe vermischen sich mit kosmischem Hall und warmen Saxophon-Samples. Auch die eigene Stimme pitcht der Mainzer hier und da um ein paar Oktaven in beide Richtungen. Doch Schon-immer-Fans müssen keine Angst haben: Negroman bleibt dem Menschenhass treu.
Sowohl auf dem selbstbetitelten Solodebüt als auch mit Kumpel Nepumuk (bzw. Knowsum) als Luk & Fil machte sich Negroman mit düsterem Boombap einen Namen. Umso mehr wundert es, dass die neuen acht Songs aus "Negroman"-Überbleibseln entstanden sein sollen. Selten hat man einen Sichtexoten so nah am Zeitgeist experimentieren hören. Wie der Pressetext so passend verlautet, nimmt der Negroman die "elementaren Sahnestücke des Hip Hops der neuen Generation [...] in die eigene Blase auf". Dass dies zu keiner Zeit anbiedernd, geschweige denn unehrlich klingt, ist selbstverständlich.
"Der zweite Vorsitzende der Menschheit" lässt wie immer kein gutes Haar an selbiger. Während 'Nejromunns' Penis die "Stille des Äthers" weit besser versteht, "als den Krach des Hans-Peter", hält er in "Flaschenöffner" deinen "Neuschnee für Matsch": "Ihr reicht euren Überzeugungen auch dann noch ihre Babydecke, wenn man aus ihren Bäuerchen schon Reizgase macht / Aber bitte bleib noch zum Takt".
Song um Song beißt sich Negromans Verachtung tiefer ins eigene Genick. Nebenher spielt er mit Geschlechtern, Klischees und Vorurteilen. Mal versteht er sich mit seinen Tagen "besser als mit seiner Vulva", mal bezahlen ihn "reiche Wichser" dafür, dass er "ihre jungen Frauen baller[t], und sie dabei zuschauen". Während in "Pool's Closed" prätenziöse Deppen ihr Fett weg kriegen ("Natürlich kann ich meine Bibel auswendig, aber ich sag sie nur auf, wenn ich im Frauenzimmer Applaus für krieg'"), wird in "Nichtssagend" gleich das ganze gesellschaftliche System mit Worten bombardiert.
Wie auch bei allen bisherigen Releases zeigt sich die Tragweite seiner Verse nicht gleich beim ersten Hören. Zeilen wie "Ich wusste, dass ich ein Fetisch bin, bevor mir meine Haut bekannt war" erfordern schon einen Moment des Nachdenkens, um sie nachzuvollziehen. Dank der spannenden Interpretation der modernen Hip Hop-Ästhetik, will der Hörer dennoch nichts anders, als diesen Worten wieder und wieder zu lauschen.
3 Kommentare mit 4 Antworten
Kann das was? Die zitierten Zeilen erinnern eher an degenhardtsche "Kunst". Kann der Review jetzt nicht wirklich entnehmen, was genau jetzt so gut an der EP sein soll.
Außerdem disst er Hans-Peter.
Die Juice schrieb: "...als hätte Madlib einen Becher Lean über Clams Casinos Drumcomputer vergossen.", das beschreibt den Sound sehr gut, wie ich finde. Eigentlich hätte "Damn" komplett in die Richtung gehen müssen, dann wär das Album deutlich spannender geworden. Textlich geht mir das ja grundsätzlich hart am Arsch vorbei, von mir aus auch gerne 8 Tracks über dicke Ärsche, so lange Beats und Flow stimmen.
Ist tatsächlich ganz gut, einige der Beats gefallen mir sogar sehr! Das Saxophon auf "Vibe oder Werbung" z.B. ist richtig nice. 5 Punkte sind m.E. nach übertrieben, aber 4 locker.
Der Vortrag könnte stellenweise etwas besser oder interessanter sein, doch geschenkt. Würde fast schon sagen, in einigen Tracks klingt er so, als hätte RIN auf einmal Texte und Groove.
https://www.youtube.com/watch?v=axsWXWZJ648
Hier kannst in das Album reinhören, ganz legal und offiziell.
Danke für eure Ausführungen. Hab mir die EP mal aufs Handy geladen und im Auto gehört. Keine Ahnung, ob es daran lag, aber geht mir irgendwie gar nicht rein. Klingt für mich irgendwie nach Flashnizm meets 2017. Gelangweilter Vortrag, Beats ziemlich entspannt...kann mich jetzt irgendwie nicht wirklich motivieren ein zweites oder drittes Mal reinzuhören.
Aber der Retrogott Vergleich vom Fräulein passt an sich schon ganz gut.
Morlokk Dilemma + Retrogott + RIN = Negroman?
Wo hörst du denn da Dilemma raus? Am Retrogott ist das, was ich von seinem vorherigen Output so aufgeschnappt habe, aber in der Tat fast schon empfindlich nah dran gewesen. Also für meinen Geschmack. Vorwürfe dieser Art dürfte er mit der EP hier aber losgeworden sein. Die Musik mag ich ganz gern, meine Erwartung an Rap ist aber einfach eine andere.
Klingt ja ganz verlockend, werde die Tage Mal reinhören