laut.de-Kritik
Spannend wie die Strickstunde bei Oma.
Review von Anne NußbaumDie einzigen Fragen, die einen plagen, während man vergeblich versucht, das Einlegen von Nenas CD "Made In Germany - Live" aufzuschieben: Wer möchte das hören? Wer möchte das sehen? Interessiert sich tatsächlich noch irgendeine Nase dafür, was das NDW-Frollein rund 25 Jahre nach ihren 15 Minuten so treibt?
Naja, zugegeben: Die 15 Minuten der Nena erstrecken sich nun schon - unerklärlicherweise - über einen beträchtlichen Zeitraum. Den Gefallen, endgültig in der Versenkung zu verschwinden, will uns die 50 Jahre alte Version von Bill Kaulitz jedenfalls nicht tun.
Allem guten Geschmack zum Trotze begeistern sich offenbar immer noch viele Menschen für Nena. Zumindest klingt der Opener nach einer ganzen Menge Fans, die jubeln, pfeifen und klatschen. Das ungebrochene Interesse an der selbsternannten Powerfrau des Pop (diese Bezeichnung allein muss schon mehr als skeptisch stimmen) ist wohl nicht zu unterschätzen.
Dass ihr eine ganz ordentliche Live-Band den Rücken stärkt und damit ihr schwachbrüstiges Stimmchen ausgleicht, kann man der Frau immerhin zugute halten. Löblich auch, dass die Live-Scheibe beim Remastern nicht dem Produktionsbügeleisen zum Opfer gefallen ist. Der Sound klingt entsprechend weniger glattpoliert, gerät schrammeliger und deftiger, als man es auf den letzten Nena-Platten je zu hören bekam.
Doch was hilft alles Schönreden: Auch live ist die Hampelfrau des deutschen Sauberpops so aufregend wie eine sonntagnachmittägliche Strickstunde bei Oma. "An dieser Stelle mache ich seit 5000 Jahren immer das Gleiche", kündigt Nena an. Die selbsterfüllende Prophezeiung schwebt wie ein Damokles-Schwert über dem ganzen Album: Nichts Neues, nichts Spannendes, die Songs und Ansagen so einfallslos wie austauschbar.
Wer die Singles der neueren Nena-Scheiben nicht völlig verschlafen hat, weiß, was einen erwartet: peinlich einfach gestrickte Texte und Melodien, die ein Zweitklässler besser zu Papier bringen würde, immer torkelnd zwischen klebrig schnulziger Ballade und rockig bemühten Pop-Belanglosigkeiten.
Ob die flache Lobhudelei auf die Heimat ("Made In Germany"), rührselig schmonzettige Ausgeburten ("Wir Sind Wahr", "Liebe Ist") oder die plakative Selbstinszenierung als rebellische crazy Rockerbraut ("Ich Bin Hyperaktiv") - es bleibt schlimm.
Nena wird nicht müde, uns mit tonnenschwerem Zaunpfahl vor die Stirn zu donnern, wie subversiv und supi sie doch ist: "Ich sitz nicht gerne still / Schon gar nicht, wenn das jemand von mir will", "Ich bin nicht so wie du mich haben willst", "Ich bin schneller als die andern / Ich lebe intensiv / Im Winter geh ich barfuss wandern". Wahnsinnig rebellisch, oder? Frei von Selbstironie und fern jeglicher Zweideutigkeit feiert sie sich ab, Subtilität scheint ihr fremd.
Die Frage "Willst Du Mit Mir Gehn" taugt nicht mal mehr dazu, die erste Kindergartenromanze anzuleiern. Doch Nena scheint nichts zu abgedroschen. Selbst das ebenfalls halbverweste Urgestein Sven Väth pumpt die trashigen Housebeats in seiner Version besser aus dem Laptop. Das Kreuzchen machen wir bei "Nein". Tausendmal lieber Hand in Hand mit Fünf Sterne Deluxe.
Die unvermeidlichen "99 Luftballons" haben nach der 888. Leier auch längst ihren Zauber verloren. Wenn überhaupt, funktionieren sie bloß noch als Rausschmeißer auf Aperol-schwangeren Schwulenpartys. Für Verbrechen wie "Schmerzen" oder "Der Anfang" entschädigen höchstens die aufgepimpten 80er-Perlen "Leuchtturm" und "Irgendwie Irgendwo Irgendwann". Bedenklich nur, wenn einem das Hören des Originals mehr Lust auf die Coverversion macht.
Sodbrennen verursacht "Lass Die Leinen Los". "Sei stark in deinem Glauben / Sei stark in deinem Tun / Wenn du glaubst ist alles möglich": Naiv bis dümmlich verbreitet die Phrasenkönigin abgeschmackte Parolen, die sich kein Hells Angel auf einem Hauptschulhof in Neukölln zu propagieren trauen würde. Auch bei Zeilen wie "Nie sind die Reichen wirklich reich / Weil man Geld nicht essen kann" rollen sich unweigerlich die Zehennägel hoch.
Weils so schön war, packt Nena noch fünf Bonustracks drauf, darunter auch eine unerträglich witzlos schwäbelnde Version von "Liebe Ist", auf der sie vornehmlich durch überspanntes Gegacker auffällt. Ohnehin ist die Lache schlimmer als die Songs: Zwischen den Takten wiehert Nena grenzdebil wie eine Stute auf Acid ob so viel Zuspruch des Publikums. Manchmal wäre es einfach geschickter, den Mund zu halten.
Wem jetzt, nach über zwei Stunden geballter Nena-Beschallung, noch nicht die aufstoßende Magensäure die Mundhöhle in Fetzen ätzt, kann sich selbst einen Orden in Sachen Unerschütterlichkeit und Geschmacksneutralität verleihen. Oder gehört zu den Hardcore-Fans, die sich durch nichts in ihrer Verehrung beirren lassen. Nena kreischt und quietscht, bis selbst das Baby von Miss Piggy und Micky Maus vor Schreck erblasst. "Germany, ich verlass dich nie": Sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt.
27 Kommentare
Wunderschön.
Der Text natürlich, nicht die Platte.
Braucht echt keiner. Aber " auf Aperol-schwangeren Schwulenpartys"? Ich kenn mich nicht aus, hört man da so einen Müll?
ja. ein traum.
*niederknie*
Da scheint Frau Nußbaum echt mal einen schlechten Tag gehabt zu haben. Hatte Nena etwas damit zu tun? Oder einfach nur eine schlechte Nacht gehabt? Selten so eine sch... Kritik gelesen.
Mein lieber Mann. Was war denn da los? Man weiß es nicht .
Ich mag die (Live)-Stimme von Nena überhaupt nicht. Aber sie ist ein Teil deutscher Pop-Rock-Kultur.
genau basil....ziemlich schwache kritik.ich versche icht, warum man jemanden eine kritik schreiben lässt, die den künstler scheiße findet. dann sollte man zumindestens in der lage sein, das unvoreingenommen zu schreiben, also könnte man davon ausgehen das anne nussbaum ein verkapter nena fan ist. und wer es nicht weis....die O2 Arena war fast ausverkauft.....komisch, keiner kennt nena, aber alle hacken auf sie rum...wenn mans nicht mag, schaltet man ab oder hört sich dieses erst nicht an......ganz schlechte kritik, ganz schlecht!!!