Southside Festival: Bei Green Day fließt das Bier

Glühende Hitze und top Stimmung: Bibiza, AnnenMayKantereit, Landmvrks, Jan Böhmermann, Rise Against, Alligatoah u.v.a.

Neuhausen o. E. (dp) - Schon der Donnerstag präsentiert sich auf dem Southside Festival von seiner besten Seite. Die Sonne scheint, es ist richtig warm, und die Stimmung auf dem Gelände ist großartig. Nach dem apokalyptisch verregneten Vorjahr, bei dem viele Besucher:innen wortwörtlich baden gingen, genießen jetzt alle das traumhafte Wetter: Überall lachende Gesichter, bunte Outfits und entspannte Festivalvibes.

Donnerstag: Feierei

Nico beispielsweise grinst über beide Ohren. Für ihn ist klar: Am meisten freut er sich auf den Auftritt von Swiss Und Die Anderen. Noch ist zwar Anreisetag, aber das hält keinen davon ab, schon jetzt ordentlich zu feiern. Wohin man sieht, entdeckt man Flunkyball-Turniere und Beerpong-Tische. Aber selbst der klassische Trichter kommt nicht aus der Mode!

Auf dem Infield geht es derweil entspannt zu: Die Fans chillen auf Decken, tanzen im Gras oder feiern zu ersten Liveacts wie ok.danke.tschüss, Itchy und Heißkalt. Der gelungene Start in ein vielversprechendes Festivalwochenende!

Es geht los

Denn am Freitag geht es richtig los: Der offizielle Startschuss fällt – unter anderem mit den heiß ersehnten Headlinern Green Day und Nina Chuba. Viel Vorfreude liegt schon jetzt spürbar in der Luft, auch, wenn der ein oder andere schon mit einem kleinen Kater ob der Vorabendfeierei im backofenähnlichen Zelt aufwacht. Wir sind für euch dran!

Bei sengender Hitze verirren sich am frühen Freitagnachmittag zunächst nicht allzu viele Besucher:innen auf das Infield. Temperaturen über 27 Grad im Schatten bringen die Fans ans Limit. Die wenigen Schattenplätze sind heiß begehrt, Wassernachschub kann man sich an den kostenlosen Wasserstellen holen. Der Eismann, letztes Jahr noch weitestgehend arbeitslos, ist dieses Jahr heiß begehrt. Ein Calippo zu guter Musik im Sommer schmeckt doch immer noch am Allerbesten!

Die Must-haves? Sonnencreme und Kopfbedeckung!

Auch käme der Pool gerade recht, der 2024 eingeführt und direkt wieder abgeschafft wurde. Kein Wunder bei der Schlammveranstaltung im vergangenen Jahr, aber dennoch schade: Man brutzelt wie Backhähnchen in der Sonne. Überhaupt sind Sonnencreme und Kopfbedeckung die absoluten Must-haves auf dem Southside 2025. Wer das schützende Spray zuhause vergessen hat, kann sich im Festivalsupermarkt eindecken oder ganz lieb bei den Zeltnachbarn anfragen. Kopfbedeckungen von modisch bis nerdig sieht man reichlich.

Trotz namhafter Acts ist das Festival in diesem Jahr nicht ganz ausverkauft. Dennoch ist die Stimmung auf dem Gelände ausgelassen – vor allem jüngeres Publikum prägt das Bild. Ein auffallender Kontrast zu den durchschnittlich doch älteren Semestern bei Rock im Park/Rock am Ring. Das ohnehin angenehme Southside-Publikum nimmt auch Dinge wie Nachhaltigkeit und Rücksichtnahme ohne mahnenden Zeigefinger der Orga sehr ernst. Eine wahre Freude, diesen Wandel im Mindset Jahr zu Jahr live mitzuerleben.

Kavka legen die Messlatte hoch

Schon am ersten Tag wartet das Line-up mit Abwechslung auf. Headliner wie Green Day, Nina Chuba und Jan Böhmermann könnten unterschiedlicher kaum sein. Den Anfang machen aber Kavka, und die Berliner legen Messlatte für die nachkommenden Acts gleich mal hoch.

Nina Chuba liefert eine nahezu makellose Performance. Ihre Bühnenpräsenz ist professionell, die Songs sitzen, und die Inszenierung stimmt bis ins Detail. Vielleicht sogar etwas zu sehr: Manch ein Fan spricht im Anschluss von einer Darbietung, die "zu glatt" gewirkt habe. Musikalisch gibt es natürlich nichts auszusetzen, inhaltlich hinkt es aber etwas. Die wohl behütet aufgewachsene Musikerin, bürgerlich Nina Katrin Kaiser, ehemaliges Pfefferkorn und Kinder-TV Star, erweckt auf der Bühne gerne den Eindruck eines Underdogs, der sie nicht ist. Den Fans gefällt es trotzdem - zu Recht. Charmant holt sie Hits wie "Wildberry Lillet" oder "Ich Hass Dich" auf die Blue Stage, das Publikum singt enthusiastisch mit.

Green Day spektakulär

Green Day hingegen bringen dafür den Punk auf die große Bühne – laut, wild und politisch. Mit einem Hit-Feuerwerk von "Basket Case" über "Holiday" bis hin zum Opener "American Idiot" beweisen die US-Amerikaner, dass sie auch Jahrzehnte später nichts an Biss verloren haben. Die Pyro-Show ist spektakulär, die Botschaften klar: Mehrmals richtet Frontmann Billie Joe Armstrong symbolische Gesten gegen den US-Präsidenten Donald Trump – sehr zur Freude des Publikums. Der Gig macht Spaß, und gefühlt drängt sich auch das ganze Southside Festival bei den Poppunkern. Die Bierstände bekommen richtig Arbeit, während Billie Joe Armstrong und Konsorten die Bühne rocken.

Ein Fan wird dieses Abend in besonderer Erinnerung behalten. Frontmann Armstrong holt eine Frau auf die Bühne, um mit ihr gemeinsam zu performen. Die ist so völlig aus dem Häuschen vor Freude, dass man kaum umhin kommt, sich aufrichtig mitzufreuen. Am Ende gibt es neben Umarmungen von der Band auch das Mikrofon geschenkt. Außerdem nutzt sie die Gunst der Stunde und klaut auch noch ein Plek vom Mikroständer! Alles mitnehmen, was geht, denn diese Chance, die kommt nie mehr.

Jan Böhermann klaut

Jan Böhmermann, als musikalischer Grenzgänger unterwegs, polarisiert dagegen wie gewohnt. Sein Auftritt ist gleichermaßen Show, Satire und Konzert – wer ihn liebt, bekommt genau das. Wer auf der Suche nach klassischem Festival-Sound ist, tut sich schwer. Warum er direkt als Headliner gebucht wurde, erschließt sich dennoch nicht ganz, ein 45-minütiger Block am späten Nachmittag hätte es auch getan.

Das Tanzorchester Ehrenfeld liefert ab, und Böhmermann klaut sich seine Darbietung schön zusammen: hier ein bisschen Maurice Ernst, dort ein bisschen Alligatoah. Ein eigener Stil: Fehlanzeige. Natürlich zünden seine Ansagen, die sich politisch weit links bewegen. Hier muss er niemanden davon überzeugen, dass Nazis und die AfD verabscheuungswürdig sind. So bleibt der Gig etwas farblos und musikalisch unaufgeregt

Besonders verwundert aber der Auftritt von Jeremias. Die Band war, nachdem ein Skandal um ihren ehemaligen Fotografen die Runde machte, eigentlich gecancelt - wurde aber schneller rehabilitiert, als man #metoo sagen kann. Dass sie nun auftreten, sorgt für Diskussionen – wird aber vom Publikum überwiegend positiv aufgenommen. Musikalisch zeigt sich die Band gewohnt eingespielt, musikalisch aber austauschbar.

Der nächste Falco?

Spät am Abend heizen SDP dann nochmalein – mit einem Best-of ihrer ironischen Hymnen. Trotz der Hitze tagsüber wird es abends doch etwas zapfig auf dem Flugplatz- das stört die Fans aber nicht, viele tanzen sich einfach warm. Ob das Motto des Hits "Die Nacht Von Freitag Auf Montag" sich noch für den ein oder anderen bewahrheiten wird?

Ein echter Lichtblick ist übrigens der österreichische Newcomer Bibiza, der mit authentischem Wiener Schmäh und lässigen Beats das Publikum auf der Red Stage begeistert. Sein Auftritt wirkt erfrischend ungekünstelt – ein Kontrast zu manch anderer Hochglanz-Produktion an diesem Abend. Zwischen Indie und Elektro, in schicken Outfits und urcool zeigen die Österreicher, warum sie sich innerhalb von zwei Jahren vom kleinen Indieclub auf die großen Festivals gespielt haben Sehen wir hier vielleicht den nächsten Falco? Abwarten, aber diese Karriere fängt gerade erst an. Anspieltipps: "Ode An Wien", "Femme Fatal" und "Ottakring".

Wer sich in eine Parallelwelt flüchten will, besucht die Shoegazer von Slowdive im Zelt auf der White Stage. Eine unaufgeregt stimmige Performance der Altmeister:innen mit schönen Visuals und ganz viel Entschleunigung. Das passt gut zur abgedunkelten Kulisse und wirkt im Gegensatz zum Tumult vor den Open Air-Bühnen schon fast zen-artig. Es soll übrigens noch heißer werden.

Glühende Hitze, große Gefühle, große Shows

und der Samstag auf dem Southside Festival brennt – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Sonne steht gnadenlos am Himmel, die Luft flimmert vor Hitze. Alle suchen Schutz in jedem noch so kleinen Schatten. Die Stimmung indes bleibt ungebrochen gut, vor allem gegen Abend, wenn es abkühlt. Das Line-up ist stark besetzt, die Energie auf dem Gelände noch da.

Auf der White Stage startet der zweite offizielle Festilatag mit einer ordentlichen Portion Gefühl: Mothica liefert eine intensive Emo-Show, die trotz der frühen Stunde unter die Haut geht. Die sympathische Künstlerin versteht es, eine druckvolle, aber herzliche Atmosphäre zu kreieren. Trotz der wenigen Besucher:innen gibt sie alles und ist ganz nah am Publikum. Wenig später lassen Thrice auf der Red Stage die Gitarren kreisen und zeigen, warum sie zu Recht gefeiert werden. Manchmal braucht es einfach nur drei Typen auf einer Bühne und gute Songs. Kein Trallafitti, kein Backdrop, einfach nur gute Musik – druckvoll, tight und mitreißend.

Brachial: Landmvrks

Für einen brachialen Kontrast zum sonst eher entspannten Line-up sorgen Landmvrks. Die Metalcore-Band feuert auf der Red Stage ein Soundgewitter ab, das sich gewaschen hat. Wuchtige Riffs, Shouts und Breakdowns lassen die Fans vor der Bühne beben – ein Ventil für alle, die es laut, hart und kompromisslos mögen. Für Verwirrung sorgt die Aufforderung des Sängers zum Crowdsurfen, das auf dem Southside streng verboten ist. Was also tun? Dem Idol Folge leisten und damit riskieren, vom Festival zu fliegen? Lieber nicht.

Olli Schulz bringt die Menge vor der Green Stage nicht nur zum Lachen, sondern auch Nachdenken. Mit charmantem Witz, ehrlichen Ansagen und dem ein oder anderen kostenlosen Lebenstipp ist er ganz nah am Publikum – im wahrsten Sinne, denn er mischt sich kurzerhand unter die Fans. Kate Nash geht den ähnlichen Weg: Sie steigt ebenfalls von der Bühne, setzt ein starkes Zeichen für Trans-Rechte und wird dafür gefeiert. Bei ihrem Hit "Foundations" hüpft und springt der komplette Bereich vor der Blue Stage – Schweiß, Tanzeuphorie und ausgelassene Stimmung.

Unter der Diskokugel

Später drehen Von Wegen Lisbeth unter einer riesigen Diskokugel richtig auf. Trotz einer verletzungsbedingten Umbesetzung (gute Besserung an den Gitarristen mit gebrochener Hüfte!) und technisch bedingter Verspätung sind die Fans nicht nachtragend und singen ausgelassen wie Hits wie "Meine Kneipe" oder "Wenn Du tanzt" mit.

Royal Republic bringen den R'n'R zurück nach Tuttlingen: Mit stilvoller Lässigkeit, eingängigen Riffs und einer großen Portion Humor verwandeln sie das Gelände in eine dekadente Parallelwelt. Für feinsten Indie-Sound sorgt dann DJO alias Joe Keery, bekannt aus "Stranger Things". Mit Band bringt er nicht nur Stil, sondern auch echte Spielfreude auf die Bühne – ein Highlight für Fans von clever arrangierter, tanzbarer Popmusik. Anspieltipps: "End Of Beginning" und "Lonesome Is A State Of Mind".

Biffy Clyro wirbeln

In der pittoresken Golden Hour liefern Biffy Clyro eine energiegeladene Rockshow. Sie spielen sich mit einer Intensität durch ihr Set, als wollten sie jeden Schmerz wegspielen. Und ein bisschen ist die Musik vielleicht auch Selbsttherapie für Sänger Simon Neil. Die sympathischen Schotten wirbeln über die Bühne und legen nicht nur bei den großen Songs wie "Black Chandelier" und der Überballade "Rearrange" ihr Herz offen vor ihre Fans.

Rise Against zerlegen die Blue Stage mit einer energiegeladenen Show, die das Publikum direkt mitreißt. Selbstverständlich fehlt auch Pyrotechnik nicht, was bei den etwas kühleren Temperaturen am Abend gerade recht kommt. Vom ersten Akkord an sind die Fans dabei und feieren Klassiker wie "Prayer Of The Refugee", "Savior" und "Give It All".

Fannah: Henning May

AnnenMayKantereit setzen nun zum großen Finale auf der Green Stage an: Mit opulenter Live-Entourage, inklusive dem mittlerweile fast zum Inventar gehörenden Ferdinand Schwarz an der Trompete und der unverwechselbaren Stimme von Henning May. Dieser zeigt sich sehr fannah, und an seinem grundehrlichen Lächeln sieht man, dass ihm sein Publikum wirklich etwas bedeutet. Wie schön, dass hier auch nach den vielen Jahren im Business nicht alles für selbstverständlich genommen wird. Favoriten wie "Barfuß Am Klavier" und "Pocahontas" fehlen natürlich nicht.

Aber noch ist es nicht vorbei. Als Late Night Act verlegt Alligatoah kurzerhand sein Büro auf der Bühne – und feiert Jubiläum. Vor genau zehn Jahren hatte er den ersten Gig mit seiner grandiosen Liveband, und zwar wo? "Auf dem Hurricane! Ihr wart nur die zweite Wahl!", verkündet er schelmisch dem überraschten Publikum. Mit tiefgründigen und bitterbösen Texten bringt der Künstler seinen Anspruch zu später Stunde aufs Southside, das textsichere Publikum feiert die Hits wie "Narben" (akustisch an der Gitarre, während die Band nur Schabernack treibt, sich mit Pflanzen bewirft oder Dinge anzündet), "So Raus", "Fuck Rock n Roll" und natürlich "Willst Du".

Ein spektakulärer und gleichzeitig witziger Abschluss für den Festivalsamstag, der alles hatte: Hitze, Herz und Highlights. Bis morgen!

Fotos/Text: Désirée Pezzetta und Monika Scharnagl.