laut.de-Kritik
Zeitloses Elektro-Album voller schöner Momente.
Review von Philipp KauseMit Bestandteilen aus Dreampop und filmmusikalischen Soundscapes, Deephouse-Pulsschlag und jazzigem Approach, lädt Nicolas Godin vom französischen Projekt Air zum Entspannen ein. "Zuhören, entspannen, nachdenken", frei nach dem Namen einer TV-Serie über Zugstrecken - so lautet das Vorhaben auf "Concrete And Glass".
Um nicht allzu arg einzulullen, wechseln Vokal- mit Instrumentalnummern. Die Gesangsbeiträge stammen von der elfenhaft zirpenden Kate NV, der hier elektronisch verzerrten Kirin J Callinan, dem R'n'B-Styler Cola Boyy und, in stimmlich androgyner Wham!-Aneignung, Alexis Taylor (Hot Chip).
Den Höhepunkt stimmt die wunderschön exakt intonierende Khadja Bonet in "We Forgot Love" an. Ihre Stimmbänder gleiten geschmeidig über die weichen Synthies, es hört sich an, als schwebe sie schwerelos auf warmen Luftpolstern. Unbeschwertheit und Eleganz kennzeichnen diese Platte insgesamt.
Alle Beteiligten wirken sorgsam selektiert und verleihen dem elektropoppig-space'igen Album etwas Waches. Schlaftrunkenheit stellt sich bezeichnender Weise beim Hören dann ein, wenn man irgendwo mitten rein klickt und das Album nicht in seiner Flow-vollen Gänze belässt.
Setzt die Vinylnadel beim ersten Track auf, verzaubert "Concrete And Glass" schnell. Schon der erste Blubberbeat-Track wirkt in seiner hypnotischen Art konzentriert, fokussiert und stilsicher. Mit "Back To Your Heart feat. Kate NV" sympathisiert man schon aufgrund der überaus liebenswerten Stimme.
Während die verträumten Töne hier meist nur geringe Textmengen tragen, umfasst "We Forgot Love feat. Khadja Bonet" doch eine packende Geschichte von Freiheit und Grenzen im Kopf. Bizarr röhrende Synthie-Töne setzen gegen Ende ein, als Khadja Bonet zu der Erkenntnis gelangt: "Wir haben die Liebe vergessen." Dieses Fazit wiederholt sie dann eine Minute lang zu unterwasserartig versunkenen, doch hell und neon-schrill orgelnden Klängen.
Verzerrte Vocoder-Sequenzen platzieren einen Hauch Stimme auch in "What Makes Me Think About You" und mit Talkbox-Sound in "Turn Right, Turn Left", einer nostalgischen Soft Soul-Nummer. Belanglos oder lediglich 'nett' mag dieses Album beim ersten Durchskippen noch erscheinen; es drängt sich nicht auf und hält sich gerne im Ambient-Milieu auf.
Doch spätestens mit der Anlehnung an die Musique Concrète in "City Radieuse" offenbart sich: Diese Scheibe ist wie eine Schatztruhe. Nähert man sich den Sounds, lässt sie wirken und sucht einzelne Stellen beim Wiederhören, löst Godin hier das Versprechen des hübschen Cover-Artworks ein: ein zeitloses Werk voller schöner Momente.
1 Kommentar
So ist es. Schöne 4/5