laut.de-Kritik
Erfrischend unperfektes Livealbum mit Klavier und Klobürste.
Review von Simon LangemannQualität setzt sich mitunter doch durch, das belegt das Beispiel Nils Frahm auf erfreuliche Art und Weise. Dass die Zuschauer nicht nur hierzulande, sondern auch auf der Insel und in Nord- und Südamerika zu seinen Konzerten pilgern, kann bei derart schüchterner Musik schließlich nur an Frahms Sensibilität für große Gefühle liegen. Die verpackt der Wahlberliner irgendwo zwischen Neo-Klassik, Ambient, experimentellem Pop und Electro.
Die Liveplatte "Spaces" hält eine Handvoll unveröffentlichter Stücke bereit und holt einige altbekannte in ein neues Zuhause. Die Vorstellung beginnt kurios: "An Aborted Beginning" erinnert in seinem ungestümen Attitüde an Portisheads "Machine Gun", endet aprupt und lässt das vereinzelt applaudierende Publikum ein wenig verwirrt zurück. Nicht der letzte Beweis dafür, welch ungeschönten Einblick dieser Mitschnitt gewährt.
Mit dem vorab veröffentlichten "Says" gelingt Frahm anschließend ein Meisterwerk, das selbst in seinem beeindruckenden Oeuvre seinesgleichen sucht. Für eine gefühlte Ewigkeit spannt der progressive Ambient-Track mit einem einzigen Loop auf die Folter, lässt dabei aber nie den leisesten Zweifel zu, dass es sich dabei nur um die langsam schwindende Ruhe vor dem Sturm handelt. Nach sechs Minuten reißt einen schließlich der ersehnte Harmoniewechsel mit sich in die Fluten aufgestauter Emotionen.
Gerade recht kommt danach die obligatorische Verschnaufpause "Said And Done" (2009), in der stoische Ton- und Akkord-Wiederholungen zu Tagträumen verleiten, die gegen Ende in fast schon resignative Melancholie münden. Noch behutsamer wirkt das "Felt"-Stück "Familiar" (2011), dem die Live-Aufnahme mehr Luft zum Atmen und damit eine neue Dimension beschert.
Als Klavier-Virtuose zeigt sich Nils Frahm bei seiner "Improvisation For Coughs" und im geradliningen "Hammers", während er bei "Toilet Brushes" seinen Flügel tatsächlich mit Klobürsten traktiert. "For" und "Peter" widmen sich dagegen dem elektronischen Ambient, ehe das großartige "Over There, It's Raining" daran erinnert, wie Frahm es eben auch kann: einfach gestrickt, schlicht als gedämpftes Pianostück vertont, aber dennoch überaus wirksam.
Über zwei Jahre sammelte der Ausnahmekünstler Material für dieses erste Livealbum, das er schließlich zu einem erfrischend unperfekten Gesamtwerk zusammenbastelte. "Spaces" bestätigt den Eindruck, der sich über Jahre immer weiter in den Vordergrund drängte: Was Nils Frahm in seinem Durton Studio ausbrütet, wird ausnahmslos zu Gold.
3 Kommentare mit einer Antwort
Liest sich gut, "Says" hört sich sehr gut an und Keyza Soze lobpreists als eins seiner Jahres-Highlights - vll. fällt dieses Jahr das ein oder andere Geschenk etwas kleiner aus.
Treffender, wenngleich recht knapper Text zu einem wirklich sehr schmucken Album.
Nur den Eindruck des Unperfekten (oder auch "ungeschönten Einblick[s]") kann ich nicht so ganz teilen. Ist nicht negativ gemeint, schon klar, aber die Assoziation war zumindest vor meinem geistigen Ohr dann ein bisserl die falsche. Muss allerdings auch gestehen, dass ich in dieser musikalischen Ecke sonst nicht wirklich zuhause bin.
Für mich klingt das alles jedenfalls dann doch eher nach viel Liebe zum Detail, wozu auch seine Aussage bzgl. der Aufnahme so vieler Konzerte passen würde.
"To be honest, I don't feel skilled enough to perform all the songs and parts to my own satisfaction in one go."
Anspieltipp neben dem in der Rezi bereits (zurecht) hervorgehobenen "Says" auf jeden Fall noch "Hammers", von den ruhigeren Sücken gibt mir die "Improvisation for Coughs and a Cell Phone" am meisten.
Ohne Kaffee, ohne t. Der Fluch der späten Tat
http://m.pitchfork.com/news/59021-nils-fra…
Neues Album für den leeren Geldbeutel. Ein großer seiner Zunft.