laut.de-Kritik
Diese Songs atmen, wogen und pulsieren.
Review von Sven KabelitzBisher gab es für ein Nneka-Album eine sicherlich irgendwo festgeschriebene Regel: Unter fünfzehn Songs geht gar nichts. Jeder bisheriger Longplayer war ein überquellender Hexenkessel aus Soul, Reggae, 'n'B, Afrobeat, Hip Hop und anderen Elementen. Ein wild pulsierender Wust, der imponierte, dem aber auch immer auch auf Grund des ein oder anderen Fillers die Einheit fehlte.
Mit dem Wechsel zum Independent-Label Bushqueen Music ändert sich einiges. Gerade einmal acht Stücke und eine Reprise finden sich auf "My Fairy Tales". Zudem legt die Sängerin erstmals eine komplett fokussierte Platte vor. Nneka konzentriert sich ganz auf Afrobeat, Roots Music und Reggae. Keine unnötigen Sperenzchen. Jede Note auf der gerade einmal 35 Minuten langen Platte hat ihre Daseinsberechtigung.
Ein herausragender Hit im Stil von "Heartbeat" fehlt. Viel mehr funktioniert der Nachfolger vom 2011 erschienenen "Soul Is Heavy" als großes Ganzes. Nneka erschafft dank spannender Arrangements ein stimmiges und schweißtreibendes Werk, das auf Grund seiner Dichte schlichtweg keinen Ausreißer zulässt. Ihre ehrliche und brennende Seele spiegelt sich in jedem einzelnen Stück wieder. Die warme Produktion, die sich mit den negativen UND positiven Seiten des afrikanischem Leben in der Diaspora auseinander setzt, lässt "My Fairy Tales" atmen, wogen und pulsieren.
Im gelösten Afrobeat "Believe System" zeigt Nneka, dass ihre mitreißende Stimme nichts von ihrer Faszination verloren hat. Mit dem zwischen Jazz-Funk und Calypso pendelnden "Babylon" nimmt der Longplayer deutlich an Fahrt auf. Der liebliche Reggae "My Love, My Love" mit seinem tiefergelegtem Bass verfügt über das größte Ohrwurmpotential.
Das dublastige "Local Champion" stellt sich mit seinen sonnendurchfluteten Keyboard-Wellen als Höhepunkt unter Höhepunkten heraus. Ein zutiefst organisches Gefüge, das mit drängender Chemie kollidiert. Das abschließende "In Me" tendiert in eine ähnliche Richtung, fügt dem Raster jedoch ein Finale aus in diesem Umfeld ebenso spannenden wie hypnotischen Ibiza-Synthesizern hinzu.
Für Menschen, die Alben in einem seltsamen Preis-Leistungs-Verhältnis sehen, und die für ihr Geld ein Minimum an Spielzeit und Songanzahl erwarten, eignet sich "My Fairy Tales" wahrlich nicht. Allen anderen, für die qualitative Musik und eine homogene Atomsphäre deutlich über Quantität steht, sei die Platte wärmstens ans Herz gelegt. Nneka gelingt ihr bisher reifstes Werk, das sie als ausdefinierte aber weiterhin spannende Künstlerin zeigt. Mit seinen zornigen Nuancen und seiner positiven Vehemenz berührt das Album zur selben Zeit Intellekt, Herz und Po. Erstmals setzt nach einem Nneka-Album kein Völlegefühl ein, sondern der dringliche Wunsch, unbedingt und schnellstmöglich mehr zu wollen. Sicherlich nicht das Schlechteste, was man über eine Platte sagen kann.
5 Kommentare mit 4 Antworten
Was nur 9 Songs!!!!!!???
Egal, Vorfreude hoch zehn, ungehört 5/5, is klar ne.
Bei Nena über 100 Kommentare und bei Nneka nur ein einziger, typisch. Ein sehr tolles Album. Was mich etwas stört an Nneka ist, dass die Musik und vor allem ihre Stimme nicht viel Abwechslung haben. Ein paar Ausreißer und härtere Rhythmen ürden ihr gut stehen.
Ja, Trauer natürlich, dass gerade eine fantastische Nneka hier untergeht.. naja.
Dir empfehle ich, soweit noch nicht gecheckt, dringend das Nneka / J Period Mixtape:
http://jperiod.com/music/category/mixtapes bisschen scrollen, dann kommt der Free-Download-Link
Nneka auf raren, teils aber auch absoluten Classic-Beats gemixed, sehr feine Sache!
Und wenn Du eh schon auf der J Period Seite bist nimmste das K´naan-Mixtape auch noch mit. Und natürlich das Lauryn Hill-Mixtape auch. Den Rest habe ich selbst noch nicht gecheckt.
Danke, Lauti, das Lauryn-Mixtape liest sich schon mal gut, wird später gecheckt
Super, danke Lauti Lauryn-Mix ist auch gut
Freut mich!
Nur dass die 100 Kommentare bei Nena weitgehend spöttischer Natur waren.
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
ihr "rundestes" album. schön wie immer.