laut.de-Kritik

Nils Frahm und Freunde drehen die Zeit zurück.

Review von

Beim Debütalbum von Nonkeen ist der biografische Hintergrund mehr als nur eine Fußnote. Als Nils Frahm, Frederic Gmeiner und Sebastian Seiwald den Grundstein für "The Gamble" legen, sind die drei Musiker gerade in der Grundschule. Seit frühester Kindheit experimentieren Frahm und Gmeiner gemeinsam mit Aufnahmeequipment und machen schon zu Beginn ihrer Schulzeit in einem Hamburger Vorort eine eigene Radiosendung. Wegen eines Sport-Austauschsprogramms stößt Seiwald Ende der 1980er Jahre aus der DDR hinzu: Er wird zum Korrespondenten für die Sendung auserkoren und schickt – wieder zurück im Osten – Kassetten mit Beiträgen und später Bassspuren nach Hamburg.

Nach dem Mauerfall besucht man sich oft und verbringt viel Zeit in Probekellern, experimentiert auf Vierspur-Bänder. Nach einem beinahe filmreifen Unfall beim einzigen Konzert der Band – die Ketten eines nahegelegenen Karussells reißen, Leute stürzen verletzt auf die Bühne – beschließt die Band, es gut sein zu lassen. Eine Dekade später treffen sich die Freunde wieder und beschließen wieder Musik zu machen. Mit Frahm in der Rolle des Engineers hört sich das Trio durch die alten, zum Teil kaputten Kassettenaufnahmen mit oft schäbiger Klangqualität. Interessante Teile werden digitalisiert, manipuliert oder zum Ausgangsmaterial.

Dabei spielen das alte Aufnahmeequipment, das Kassettenrauschen und die Zufälligkeit der alten Klangexperimente fundamentale Rollen auf "The Gamble": Mit anschwellenden, oszillierenden Synths und jeder Menge Tapegeräusch kommt der Opener "The Invention Mother" sinfonisch daher. Auch bei "Saddest Continent On Earth" fußt alles auf dem Klangverhalten der alten Tapes, dazu kommt ein verhalltes, fern klingendes Schlagzeug, Frahm spielt Rhodes.

Bei "Ceramic People" verdichtet sich die Atmosphäre, das Schlagzeug und die Basslinien werden hektischer. Bei "Chasing God Through Palmyra" ist das ähnlich, die Drums treiben das Stück unablässig nach vorne. Ansonsten bleibt "The Gamble" meistens eher introspektiv und schleppend. Themen werden entdeckt und augmentiert, dabei bleibt es oft mehr beim Ausloten von Klängen und Meditationen denn ausformulierten Songstrukturen. Gerade ein Stück wie "Capstan" verdeutlicht die Skizzenhaftigkeit, die das Album vielerorts ausmacht.

Die Platte treibt den Puls nicht in die Höhe. Sie gibt sich vielmehr unaufgeregt, melancholisch und unprätentiös. "The Gamble" lebt von Pausen, Andeutungen und Richtungswechseln. Nonkeen klingen dennoch wohlvertraut. Es geht um Stimmungen und ihren Wechsel um Atmosphäre, Ambience. Ein luftiger, freundlicher Soundtrack für die Nacht, ein intimer Blick in Notizbücher und Klangarchive. Trotz dem gelegentlichen Eindruck von Beliebigkeit ist dem Trio das Graben in der Vergangenheit und die Transformation ins Jetzt durchaus gelungen.

Trackliste

  1. 1. The Invention Mother
  2. 2. Saddest Continent On Earth
  3. 3. Ceramic People
  4. 4. Animal Farm
  5. 5. This Beautiful Mess
  6. 6. Capstan
  7. 7. Chasing God Through Palmyra
  8. 8. Pink Flirt
  9. 9. Re:turn!

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