laut.de-Kritik

Stinkefinger in friedlicher Mission.

Review von

" ...ziehen die Sache durch, bis nichts mehr übrig bleibt / Und sie brennt immer noch / schau, sie brennt immer noch / sie brennt immer noch, die Blüte dieser Zeit." - Der Einstieg in das Album "Zwei" von OK Kid hätte kaum passender ausfallen können: Der Song "Blüte dieser Zeit" manifestiert nicht nur die musikalischen Verortung der Band, es ist auch eine Zeitreise durch vergangene Jahrzehnte. Letztlich will man den drei Exil-Gießenern aber schlicht und einfach sagen: Hallo Jungs, schön, dass ihr endlich zurück seid!

Ganz weg waren die drei ja seit dem selbstbetitelten Debüt 2013 nicht, schließlich kam zwischendrin die EP "Grundlos" samt Musikvideos heraus, und auch live waren OK Kid in der Zwischenzeit sehr präsent. Dennoch hat es bis zur Veröffentlichung des zweiten Albums gut drei Jahre gedauert. Eine Zeit, in der die Band rausfinden konnte, was sie wirklich will: weiterhin Musik machen und dabei eine Message rüberbringen.

Diese neue politische Haltung spiegelt sich auf den ersten Blick im Artwork der Platte wieder: Ein Peace-Zeichen, bei dem der Zeigefinger durchtrennt ist. Klare Ansage: Ok Kid kommen in friedlicher Mission, allerdings ohne den typischen Schlaumeier-Zeigefinger, der passt sowieso nicht zu ihnen. Gleichzeitig symbolisiert der somit verbleibende Mittelfinger eine Art Abwehrhaltung – der Albumtitel steht also auch für die zwei Gesichter der Band.

Wut über "Gute Menschen" macht sich vor allem in der ersten Single des Albums breit. Nicht nur das zugehörige Musikvideo sorgte Ende 2015 schon für Aufruhr in den hiesigen Feuilletons und Musikblogs. Der Song selbst kritisiert die chauvinistische Doppelmoral, die man im Bezug auf Einwanderung und Homosexualität heutzutage erlebt. "Wir wollen die Leute nicht belehren, sondern ihnen den Spiegel vorhalten. Und das mit einer gewissen Ironie und einem leichten Hang zum Klischeehaften", so Sänger Jonas in einem Interview mit musikblog.de.

Natürlich ist nicht ganz "Zwei" so politisch wie sein Vorbote, dennoch zieht sich durch die gesamte Platte eine eher kritische Betrachtung dessen, was im Leben so passiert. Während vor drei Jahren noch mehr das Allein- sowie Zusammensein thematisiert wurde, ist die Themenvielfalt heute eine andere.

"Es ist wieder Februar" beispielsweise ist eine Ode an den trostlosesten aller Monate, die allerdings auch von Bosse stammen könnte. "Ich kann alles" zeigt, dass Ok Kid mittlerweile erkannt haben, was im Rahmen des Möglichen liegt: Alles. Die Freiheit ist grenzenlos, so lange man nur an sich glaubt. "Ich kann alles / Und bis ich aufschlag', beweis ich, dass ich flieg" ist die wohl beste Hook des ganzen Albums.

Mit einem Hauch indischer Gesänge wird "Bombay Calling" eingeleitet, womit die Band die Liebe zum Gin feiert und voller Wortwitz in einem Stück gefühlte 20 Sorten der Spirituose aufzählt, während der Bass im Hintergrund kräftig wummert. Fast schon ungewohnt, so poppig, wie die Platte bislang daher kam. Für den Hip Hop-lastigen Teil holte man sich Rapper Megaloh ins Boot, der bei "5. Rad am Wagen" kurz Hand anlegt.

Frank Spilker, der zweite Gast auf "Zwei" kommt überraschend - schließlich bekennen sich Ok Kid gleich in den ersten Sekunden des Albums dazu, nicht mit der Hamburger Schule großgeworden zu sein. Dennoch schreit "U-Bahn-Station" förmlich nach der Stimme des Sterne-Sängers, noch bevor sein Part einsetzt. Ob dieses Pop-Rock-Ding bei Ok Kid ausgebaut werden sollte, bleibt fraglich. Ein Song reicht vorerst, der klingt nämlich leider auch ein bisschen nach den Sportis.

OK Kid gehen stiltechnisch noch einen Schritt weiter: Mit dem Album erscheint gleichzeitig eine EP als "Kid OK" Soundsystem, die Remixe von fünf der neuen Songs beinhaltet. Die Bandmitglieder selbst sowie befreundete DJs verleihen den Tracks damit eine elektronische Note. So bekommen Songs wie "Euforia" eine etwas andere Melodie und einen tanzbaren Charakter – leider nur zu hören, wer sich die Deluxe Box zulegt.

Auch wenn sie vom Alles-Können singen, ist auf "Zwei" noch lange nicht alles perfekt. Hier und da finden sich sowohl textliche Schwächen ("Bank") als auch halbgare Genre-Experimente, wie eben das Feature mit Frank Spilker. Das tut der Authentizität von Jonas, Raffi und Moritz keinen Abbruch. Mit viel Charme, gelungenen Wortspielen und dem Beat zur richtigen Sekunde trösten sie ebenso darüber hinweg, wie mit einer neuen, erfahreneren Sicht auf die Dinge. Den Schritt des zweiten, bekanntlich "schwierigen Albums", haben sie jedenfalls mit Bravour gemeistert.

Trackliste

  1. 1. Blüte dieser Zeit
  2. 2. Ich kann alles
  3. 3. Gute Menschen
  4. 4. Es ist wieder Februar
  5. 5. Bank
  6. 6. 5. Rad am Wagen feat. Megaloh
  7. 7. Bombay Calling
  8. 8. Wisch & Weg
  9. 9. U-Bahnstatiion feat. Frank Spilker
  10. 10. Kaffee Warm Part 3
  11. 11. Euforia
  12. 12. Erinnert

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