laut.de-Kritik
2015? "So Muss Es Beginnen"!
Review von Sven KabelitzSein Name ist Olli Schulz. Vor einigen Jahren strandete er als Schulzkowski bei neoParadise, wanderte danach in die Box und hatte nur ein Ziel: Zu überleben. Von nun an möchte er sich wieder mehr der Musik widmen und den Circus HalliGalli hinter sich lassen. Um das zu schaffen, muss er jemand anderes sein. Muss er etwas anderes sein.
Weil es sich beim Schulz um ein Schlauerle handelt und er das weiß, fährt er den Humor merklich zurück. Kein "Mach Den Bibo", kein "Halt Die Fresse, Krieg 'N Kind" stören die melancholische Stimmung auf "Feelings Aus Der Asche". Schulz, der schon immer zwischen den Stühlen saß und bei dem in jedem Schenkelklopfer auch Nachdenklichkeit steckt und jedem noch so düsteren Gedanken der Schalk im Nacken sitzt, gibt sich so ernst wie zuletzt auf "Warten Auf Den Bumerang", das er noch mit dem entlaufenen Hund Marie einspielte.
Wie auf den letzten beiden Alben unterstützen ihn bei dem Unterfangen Gisbert zu Knyphausen (Bass), Arne Augustin (Klavier, Keyboard) und Ben Lauber (Schlagzeug). Auch beim Produzenten setzt er auf den bewährten Moses Schneider, der ansonsten mit Tocotronic, Ja, Panik und den Beatsteaks arbeitet.
2015 steckt noch in den Kinderschuhen, aber "So Muss Es Beginnen". Der mittlerweile vierzigjährige Sänger rückt den Prozess des Alterns und die damit einhergehenden Abschiede bewusst in den Mittelpunkt. "Meine Helden sind alt / Meine Träume dahin", singt Schulz. Trotzdem wohnt dem Song ein einnehmender Grundoptimismus inne. Wie Sonnenstrahlen, die sich während eines Dezemberspaziergangs im ersten Winterschnee spiegeln, tätschelt sein anmutiges Gitarrenspiel den Track. Für die Forderung "Ich möchte kostenloses Popcorn / Für jedes Kind in dieser Stadt" sollte man umgehend eine Petition starten.
Dem Schunkler "Als Musik Noch Richtig Groß War" wohnt der gleiche Grundtenor inne. "Die CDs sind zerkratzt / Das Vinyl ist verbogen / Und auch ich bin etwas lädiert." Eine Geschichte über das Leben und die Entwicklung vom Kind, zum Punk, zum Familienvater. Ein ergreifendes Lied über die Liebe, die sich zuerst an der Musik festhält, die mit jeder Note die wichtigsten Momente des Lebens unterstreicht. Langsam findet sie in seinem Kind einen neuen Fixstern, dem Schulz jedoch die selbe Hingabe mit auf den Weg gibt. "Jetzt wo Musik nicht mehr ganz so groß ist / Aber immer noch so schön / Seh' ich dich in meinen Strophen / Sing' ich für dich den Refrain / Irgendwann da wirst du groß sein / Und suchst deine Melodie / Doch schläfst jetzt grad' auf meinem Schoß ein / Und dieser Song endet nie." Was wird eigentlich aus einem Schoß, wenn man aufsteht?
Ganz ohne Albernheit kommt "Feelings Aus Der Asche" freilich nicht aus. Mit "Ich will eure Hunde sehen! Schmeißt eure Hunde in die Luft!" eröffnet Olli das groovende "Passt schon!", setzt aber das Stück kurz darauf mit "Kalter Winter / Kaum Bewegung / Ich geh' ein in einer Welt die mich nicht braucht" fort. Röchelnd schleppt sich das finstere "Boogieman" in Bertolt Brecht-Manier in die Düsternis. Die Ballade "Mann Im Regen" mit ihrem prächtig ausuferndem Ende verfügt über eine deutliche Gisbert zu Knyphausen-Einfärbung. Im beschwingt fröhlichen Pop-Song "Phase" kippt die Story mit nur einem einzigen gekonnten Satz in Richtung Schwermut.
Die Erkenntnis, dass in Schulz viel mehr steckt als ein Blödelheini und Joko-und-Klaas-Dauerdummi, dürfte manch einen durch die TV-Präsenz neu gewonnenen Fan verstören. Für die, die schon lange den Weg des Sängers begleiten, unterstreicht "Feelings Aus Der Asche" nur ein weiteres Mal, dass die intime Umgebung seiner Alben die beste Box ist, in die man Olli Schulz stecken kann.
7 Kommentare mit 5 Antworten
Irgendwie mag ich den Olli und das, was er so macht PS: Sven, schon gesehen, dass The Haxan Cloak die letzten Monate mit Björk an ihrem neuen Album gearbeitet hat? Bin mal gespannt was das wird
Ja, habe ich mitbekommen. Bin auch wirklich sehr gespannt. Mal schauen, in wie weit er seinen Sound einbringen kann. Von Timbaland hat man auf "Volta" ja (zum Glück) nicht all zu viel mitbekommen. Hier wünsche ich mir aber ähnlich fiese Bässe wie auf "Excavation". Das wäre schick.
Durchweg gut hörbar. 2015 kann anfangen. Besser als das letzte Album, das hab ich beim ersten mal hören abgebrochen mitten drin.
würde mich echt mal über eine albumversion von "der rumäne" freuen...ansonsten wird zeitnah reingehört!
Knyphausen spielt Bass. Das ist okay, solang er dabei den Mund hält...
Mir wäre es andersrum deutlich lieber. Olli Schulz hat sein komplettes Talent in den Albumtitel des Debüts gelegt. Giselbart ist zwar anstrengender, dafür musikalisch um Welten besser, vor allem live.
Hier ein schönes Fundstück zum Album aus dem www:
http://luserlounge.blogspot.de/2015/01/oll…
Trifft zu fast 100% meine Meinung! Ich finds nämlich auch nicht so komplett geil, dafür die Handvoll guter Songs umso besser! Einzig "Kinder der Sonne" find ich auch ziemlich genial.
was für ein völlig bekac...tes Album für "Du, ich wohne jetzt in Hamburg (Berlin, Köln etc...)" Dorf Djangos..