laut.de-Kritik
Als die coolen Kids noch Gorilla Biscuits- und Shelter-Shirts trugen ...
Review von Mathias MöllerDiese Band kann sich sehen lassen. Mit Only Crime hat sich so etwas wie eine Underground-Allstarband zusammen getan. Die Mitglieder können Erfahrungen bei Good Riddance, Descendents, All, Black Flag, Bane, Converge, Velocity Engine, Hagfish, Gwar und Armstrong vorweisen, so dass man also nichts anderes als tighten Punk mit einem guten Schuss (Melodic) Hardcore zu hören bekommt.
Keiner der zwölf Songs dauert länger als drei Minuten, und es beginnt knackig. Der Bass von Donivan Blair schnarrt, die Gitarren jaulen und heulen sich warm, das hier klingt irgendwie nostalgisch, zeitlos, und dann geht es los. "Take Me" explodiert in Energie und Melodie. Schnell und kompromisslos auf der Suche nach der ausgewogenen Mischung aus wohlklingender Punkrockmelodie und In-your-face-Härte findet sich das Quintett. Zwischendurch ein paar Hardcore-Shouts, und man weiß, woher die Bandmembers kommen.
"Everything For You" birgt ein erhöhtes Aggressionspotenzial, hier sind die Harmonien deutlich in den Hintergrund gerückt, dafür übernimmt die Wut. Deutlich zurückgenommener in Tempo und Härte klingt dann "Shotgun", dafür gibts hier wieder ein Quäntchen mehr Catchyness. Und die wärmende Vergewisserung: "It's cold out there but you're not alone". Die Bridge kennzeichnet wieder der schnarrende Bass Blairs, und man fühlt sich prompt in die frühen Neunziger zurückversetzt, als die coolen Kids Gorilla Biscuits- und Shelter-Shirts trugen.
Überhaupt lässt die Band musikalisch und technisch keine Wünsche offen. Tight und eingespielt wirken sie nicht wie ein bemühtes Altherrenprojekt, sondern wie eine energetische, junge Band, die noch hungrig genug ist, um ihren Hörern tief in den Arsch zu treten. Der dezent angerauhte Gesang Russ Rankins wird prima getragen von den sägenden, singenden Gitarren Zach Blairs und Aaron Dalbecs, zusammengehalten durch das variantenreiche, mal zurückgenommen stabile, mal progressive Drumming Bill Stevensons.
Der superkurze Track "In Your Eyes" (38 Sekunden!) läutet mit einem letzten schnellen Aufbäumen eine etwas langsamere Phase ein, "Just Us" wandelt, wie so viele Songs, auf dem schmalen Grat zwischen punktypischem und sicherlich jugendkompatiblen und oldschooligem Hardcore-Sound, während "There's A Moment" doch ein wenig mehr Haken besitzt: Das klingt doch schon sehr nach vergangenen Zeiten. Aber es hört sich so gut an!
"This Is Wretched" schleppt sich schwerfällig in die Gehörgänge, auf jeden Fall das Stück, das aus den anderen heraussticht. Doch dann hats sichs auch schon wieder mit der "Besinnlichkeit": "Too Loose" beschleunigt "Virulence" noch einmal ganz ordentlich, und ähnlich hochoktanig endet das Album auch. Sicherlich keine Neuerfindung eines betagten Genres, allerdings hat die zweite Platte von Only Crime durchaus seine Daseinsberechtigung. So gut gemachten Punkrock hört man nicht alle Tage.