laut.de-Kritik

Aus der Kanalisation in die Obhut von Jam Master Jay.

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"Move back, motherfuckers! The Onyx is here! Back da fuck up, back da fuck up!" 1993 schreien Fredro Starr, Sticky Fingaz, Suavé und Big DS ihre unmissverständliche Aufforderung heraus, den Weg frei zu machen und sich hinten anzustellen. Onyx greifen den Hardcore-Rap des vorherigen Jahrzehnts auf und ersetzen die politische Tiefe mit einem noch roheren und konfrontativeren Auftritt, der sie noch 25 Jahre später im persönlichen Gespräch alles andere als pflegeleicht erscheinen lässt. Dazu prägen sie mit schwarzer Kleidung und Glatzen einen abschreckenden einheitlichen Look.

Onyx gründen sich Ende der 1980er zunächst als Trio. Ihr Frühwerk geht verloren, als ihr Produzent B-Wiz gewaltsam zu Tode kommt. Im Sommer 1991 erscheint die namhafte Rettung in Form von Jam Master Jay, der sie zur Aufnahme eines Demotapes auffordert. Als Suavé und Big DS die Zeit dafür fehlt, fordert der Bandmanager Fredro Starr dazu auf, seinen Cousin Sticky Fingaz mit ins Boot zu holen. Die beiden Rapper nehmen zwei Songs auf, von denen sich der DJ begeistert zeigt. Unter der Bedingung, dass die Gruppe Sticky Fingaz aufnimmt, erhalten Onyx einen Vertrag bei JMJ Reords.

Unter den stets wachsamen Augen Jam Master Jays beginnt der Aufnahmeprozess im Herbst 1991. "Wir haben alles von ihm gelernt. Er war unser Mentor", erklärt Sticky Fingaz später im Rückblick ehrfurchtsvoll über die Zusammenarbeit mit dem Mitbegründer von Run DMC. Fredro Starr betont dagegen ein alternatives Erfolgsrezept der Studiozeit: "Wir waren wie Jimi Hendrix", lautet sein nicht gerade naheliegender Vergleich, "LSD war unsere Geheimwaffe. Es hat uns kreativ gehalten." Nach einem knappen Jahr steht "Bacdafucup" als zanksüchtiges Ergebnis dieser rauschhaften Monate fest.

Der Hip Hop-Salut "Throw Ya Gunz" markiert im November 1992 als erste Single den Startschuss für Onyx. Zur Kopfnicker-Produktion und Mitgröl-Hook machen die vier Rapper ihre Besitzansprüche geltend: "What's mine is mine and what's yours is mine." The Notorious B.I.G. arbeitet die Zeile später auf "Ready To Die" in "Gimme The Loot" ein. Ohnehin zitieren die US-Kollegen in den folgenden Jahren ausgiebig aus "Bacdafucup". Am berühmtesten dürfte 50 Cents "Murder, murder, ya life's on the line" sein, das er aus "Nigga Bridges" in "Get Rich Or Die Tryin" überführt.

Dabei bleibt die lyrische Tiefe des Quartetts zumeist überschaubar. "Where we live we get beat up by cops", verabreicht Fredro Starr "Here 'N' Now" einen politischen Hauch. Doch für weitergehende Analysen fehlen schlicht die Ressourcen, wenn die Herausforderung vor allem darin besteht, zu fressen statt gefressen zu werden: "The game ist survival." Sticky Fingaz unterstreicht dazu, wie wenig er seine Heimatstadt als den glitzernden, aufregenden Sehnsuchtsort empfindet, für den sie der Rest der Welt hält: "I live in the rotten apple, the city that never sleeps."

Sticky Fingaz entsteigt der Kanalisation des verdorbenen Apfels wie ein Batman-Bösewicht: "I'm livin' proof there's no hope for mankind." Mit seinen überzeichneten Versen beschließt er die meisten Songs mit der gelungenste Strophe. "I'm the nigga in your nightmare", inszeniert er sich in "Bichasniguz" als Freddy Krueger des Rap, "I live off fears. It's the beast in me." Wenn er in tollwütiger Manier den unglaublichen Hulk zitiert, schafft er unterhaltsame Distanz zum grimmigen Gesamtbild: "Don't make me angry. You won't like me when I'm angry."

In "Atak Of Da Bal-Hedz" überträgt sich der Humor des Rappers auf den Rest der Truppe. Der Angriff der Glatzköpfe vollzieht sich als dynamisches Wechselspiel der vier New Yorker. Fredro Starr versucht sich am Refrain zu "Give It Away" aus Red Hot Chili Peppers "Blood Sugar Sex Magik", während Sticky Fingaz gleich zum Einstieg völlig freidreht: "What's the matter with my brain? I can't think clear. Oh, it's the hair. Run and get the razor, gotta make it disappear." Dazu verwandelt der ausnahmsweise an den Reglern sitzende Kool Tee den Song in eine musikalische Zirkusnummer.

Zumeist übernehmen jedoch Jam Master Jay und Chyskillz die Produktion. Gnadenlos zerren sie die jazzigen bis funkigen Samples aus ihrer natürlichen fluiden Umgebung in die knochentrockene Steppe des Hardcore-Rap. Mit "Da Nex Niguz" begleitet Kool Tee dagegen die pornografische Lyrik. Wenig zimperlich geht es auch in "Black Vagina Finda" zu. Selbstredend legen Onyx ihr animalisches Auftreten auch in dieser Ode an die Damenwelt nicht ab: "Put ya feet to ya head till ya hear your bone crack. When bitches get dick, they don't know how to act."

Dass sie sich mit derartig schamlosen Texten den Weg ins Radioprogramm versperren, ist dem Run-DMC-DJ am Ende der Aufnahmen bewusst. Er setzt Onyx einen aggressiven Song mit Jugendfreigabe auf die Agenda. So kreieren die Rapper "Slam", dessen leicht verständliche Dada-Hookline zu den bekanntesten Zeilen des 90er-Raps zählen dürfte: "Slam, da duh duh, da duh duh!" Mit der Platin-Single gelingt dem Quartett der Durchbruch, und der von Nirvanas "Smells Like Teen Spirit" inspirierte Tanz überträgt den Moshpit auf Hip Hop. Jam Master Jays Rechnung geht auf.

"Onyx is heavyweight and still undisputed", freuen sich die Rapper auf "Slam". Den meisten der Beteiligten ist allerdings keine rosige Zukunft vergönnt. Big DS steigt ein Jahr später aus und stirbt mit nur 31 Jahren an Lymphdrüsenkrebs. Jam Master Jay wird 2002 ermordet, und auch Chyskillz findet noch vor seinem 50. Geburtstag sein Ende. Doch auf dem Höhepunkt des gemeinsamen Erfolgs ist davon nichts zu ahnen. So endet "Bacdafucup" unsentimental mit dem Rausschmeißer Sticky Fingaz, der dem Hörer die Tür zeigt: "It's over! Leave! Fuck that! Get the fuck outta here!"

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Bacdafucup
  2. 2. Bichasniguz
  3. 3. Throw Ya Gunz
  4. 4. Here 'N' Now
  5. 5. Bust Dat Ass
  6. 6. Atak Of Da Bal-Hedz
  7. 7. Da Mad Face Invasion
  8. 8. Blac Vagina Finda
  9. 9. Da Bounce Nigga
  10. 10. Nigga Bridges
  11. 11. Onyx Is Here
  12. 12. Slam
  13. 13. Stik 'N' Muve
  14. 14. Bichasbootleguz
  15. 15. Shiftee
  16. 16. Phat 'N' All Dat
  17. 17. Da Nix Niguz
  18. 18. Getdafucout

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