laut.de-Kritik

Ein Mix aus Queensryche, Eloy und Elektrolurch.

Review von

Seit Geoff Tate nicht mehr Alleinherrscher über die Power- und Prog Metal-Legende Queensryche ist, tut er sich offensichtlich schwer. Seine Ex-Kollegen, die jetzt das Namensrecht besitzen, hauen auf ihren Platten immer noch sehr anhörbaren Heavy Metal raus. Tate dagegen bastelt lieber tiefsinnige musikalische Trilogien, die mit der reinen Metal-Lehre nicht mehr all zu viel zu tun haben.

Nun also ist er am letzten Teil seines sich über drei Veröffentlichungen erstreckenden Werkes über - ja, worüber eigentlich? - angelangt und führt uns hinein in "The New Reality". Grundsätzlich dürften wir ja alle schon wissen, wie diese neue Realität aussieht. Sie springt uns mit all ihren Fakten und Fakes ständig und aus allen heutzutage verfügbaren Medien-Kanälen rund um die Uhr direkt ins Gesicht, ob wir das wollen oder nicht.

Sollte die neue Realität allerdings so aussehen, wie sie Herr Tate auf seiner neuen Scheibe rein akustisch beschreibt, dann haben wir nicht viel zu befürchten. Bevor es zu schlimm wird, sind wir alle schon friedlich eingeschlafen. Ich gebe uns, optimistisch, wie ich bin, Zeit bis Stück Nummer acht, so über den Daumen.

"A Head Long Jump" startet mit einem an Kraftwerk erinnernden Auftakt, zu dem Tate Bedeutungsschwangeres spricht. Zum Ende hin gerät das Ganze mit Getrommel und irgendwie spacigen Riffs etwas heftiger. Schon hier fällt auf, dass der Gesang ziemlich in den Hintergrund gemischt ist. Vielleicht mit Absicht, weil Geoff Tates Stimme nicht mehr die Brillanz von früher besitzt.

"Wake Me Up" erinnert tatsächlich an alte Queensryche-Zeiten und rockt entschlossen nach vorn. Man könnte glauben, der Dampfer komme jetzt in Fahrt. Das folgende "It Was Always You" nimmt das Tempo jedoch schon wieder raus, irritiert dafür mit penetrantem, allgegenwärtigen Schlagzeug, das durchaus auch aus der Dose kommen könnte. Dazu gibt es Keyboards und verhallte Gitarren, wie es früher bei den Deutsch-Rockern Eloy üblich war. Auch der Sprechgesang auf dem Stück passt in dieses Bild.

"The Fear" ändert Ausrichtung und Stimmungslage kaum, "Under Control" spendiert wenigstens mal ein paar markige Gitarren-Riffs, klingt wegen des dumpfen Gesangs aber, als habe man Watte in den Ohren. Immerhin gibt es hier ein erwähnenswertes Gitarren-Solo. Dann folgt das über sieben Minuten lange Titelstück, das teils ein gewisses U2-Feeling atmet, mit allerlei Elektronik aufwartet, auch ein Saxophon dudeln lässt, sich aber sonst dahin schleppt, während Tate gesanglich den melodramatischen David Bowie markiert.

Spätestens danach kommen, zumindest bei mir, mit "My Eyes" die ersten Ermüdungserscheinungen auf. Ab da treibt die Platte führerlos mit elektronischen Verzierungen (manchmal ziept und zirpt es tatsächlich wie bei den alten Anarcho-Rockern Guru Guru, den Erfindern des "Elektrolurches") reichlich befrachtet und dem weiter zu laut ballernden Schlagzeug dahin. Am Schluss beim akustisch gehaltenen, recht annehmbaren Bonus-Track "Take Hold Of The Flame", der live eingespielt ist, gibt es Applaus für Geoff Tate und seine Gedankenverbrecher. Gut so, dann muss ich das nicht machen. Das wäre nämlich gelogen.

Trackliste

  1. 1. A Head Long Jump
  2. 2. Wake Me Up
  3. 3. It Was Always You
  4. 4. The Fear
  5. 5. Under Control
  6. 6. The New Reality
  7. 7. My Eyes
  8. 8. A Guitar In Church?
  9. 9. All For What?
  10. 10. The Wave
  11. 11. Tidal Change
  12. 12. The Same Old Story
  13. 13. Take Hold Of The Flame (Live Acoustic)

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2 Kommentare

  • Vor 7 Jahren

    Schon traurig was mit Geoff Tate passiert ist vor ein paar Jahren war er noch einer meiner Lieblingssänger, wegen allem von Queensryche von 1983 bis 1994. Die Rezension liest sich so dass das Album eine direkte, genauso ideenlose Fortsetzung der beiden schon extrem schwachen Vorgängern war. Ich werde es bei Spotify mal durchskippen, sowie schon die 3 Alben davor. Vor allem beim Titeltrack kommt bei mir der Gedanke auf das er einfach versucht hat den Song Promised Land zu kopieren was Ihm aber nicht gelingt. Es fehlt einfach bei dem Song wie am Album an der Brillanz von Degarmo, Wilton, Jackson und Rockenfield. Bezeichnend dass er am Schluss eine weitere Liveversion von Take hold of the flame als Bonustrack verwurstet nur um zu zeigen zu was für lyrischen Großtaten er früher in Verbund mit den Anderen fähig war und wenn man die Liveversionen zwischen 1983 und 1994 anhört was für einen Stimmumfang er hatte. Was echt schade ist das es so weit kommen konnte weil Dio hatte bis ins hohe Alter eine großartiges Stimmvolumen, Dickinson und Halford auch immer noch, zwar nicht mehr das Volumen wie vor 30 Jahren aber dennoch besser gealtert als die Stimme von Tate. Zu guter Letzt gebe ich die Hoffnung nicht auf das Queensryche 2023 zum 40 Jährigen Jubiläum des schnöden Mamons wegen es eine Reunion gibt mit Tate und Degarmo, erstmal brauchen alle das Geld und außerdem waren sie nur in Originalbesetzung eine der besten Bands der Welt.

  • Vor 7 Jahren

    Ich fand Resurrection eigentlich ganz gut. Das Beste seit American Soldier, was streng genommen nicht viel zu sagen hat.
    A new Reality hab ich mir noch nicht angehört, aber jetzt mal von denen, die das gehört haben, ist es wirklich so schlecht, wie die beiden Songauskopplungen schon waren?