laut.de-Kritik
Harry, hol' schon mal die Brechtüte ...
Review von Philipp GässleinMehr als 280 mal gingen Stefan Derrick und Harry Klein im deutschen Fernsehen auf Verbrecherjagd. Das Format wurde erfolgreich in derart viele Länder exportiert, dass Peter Falk das gesunde Auge vor Neid auch noch zuschwellen könnte. Dass sich die deutschen Kriminalexperten auf jeglichem Gebiet mit ihren ausländischen Kollegen messen können, versuchen die Macher des Filmes ab 1. April zu beweisen, wenn es heißt: Derrick goes Inspector Gadget - der Inspektor beehrt das Kino als Comicfigur.
Als Aprilscherz dürften Story und Aufmachung auch gemeint sein. Kurz zusammengefasst ermitteln die beiden Polizei-Opis in den furchteinflößenden Niederungen des Popbusiness. Ein mysteriöser Killer hat es auf die Teilnehmer des deutschen Vorentscheid zum Grand Prix abgesehen. Doch. Ja genau. Vorentscheid zum Grand Prix, ja. DER Grand-Prix, genau. Nein, wirklich!
Originellerweise stammt der Titeltrack aus der Feder derjenigen Teilnehmerin, die sich bei dem reellen Wettbewerb wohl kaum Chancen machen darf: Tina Frank, die in hingebungsvoller Zusammenarbeit mit Oli P. schon so manchen Grönemeyer-Song schändete. Erstaunlicherweise ist ihr Beitrag sogar recht nett gestaltet, wenn es ihm auch nicht so recht gelingen mag, mitzureißen oder gar Spannung zu erzeugen. Aber was soll's, es geht ja schließlich nur um einen Krimi.
Danach beginnt gnadenlos die niveautechnische Talfahrt. Schlageronkel Jürgen Drews beweist gleich mehrfach, dass er es beim Brechdurchfall Produzieren locker mit einem Bohlen aufnehmen kann. Ob "I'm Just A Girl" ursprünglich als Persiflage auf No Doubt gedacht war, werden wir wohl niemals herausfinden. Wollen wir es hoffen, denn in dem Fall könnte man sie direkt als gelungen bezeichnen. Sängerin Anne Schröder durfte übrigens bereits mit formidablen Acts wie Mr. President ins Tonstudio - Da kann nicht mal Tina Frank mithalten.
Direkt grinsen muss man dann allerdings, wenn Fritz Wepper mit "Ich bin Harry" loslegt. Der gute Mann mag sich so gar nicht entscheiden, ob er nun singen oder doch rappen soll. Das Ergebnis einer Musikrichtung zuzuordnen, wäre schlichtweg beleidigend. Harry, hol' schon mal die Brechtüte. Bei "I love You & You Love Me Too" geht zum ersten Mal ein wenig die Sonne auf. Ein wirklich grandioser Basslauf begleitet eine Bee Gee'sche 'Night Fever'-Melodie. Gut, der Text ist fürs Klo.
"Hearts On The Run" ist vielleicht noch der einzige Track des Albums, den man als halbwegs geglückt bezeichnen könnte. Ein Gemisch aus Blue Öyster Cult und Asia mit kinderfreundlich heruntergedrehten E-Gitarrenreglern. Beim Track der "Funky Derrick Allstars" glänzt erneut nur der Mann an der Bassgitarre.
Erwähnt seien noch die beiden Scores, die vollständig überzeugen können. Die orientieren sich produktionstechnisch zwar stark an James Bond, lassen aber vermuten, dass sich irgendwo in den Tiefen des Line Ups doch irgendwo eine handvoll fähiger Musiker verstecken. Wer glaubte, mit Phil Collins letzten Erzeugnissen seien die Niederungen der Filmmusik erreicht, wird hier definitiv eines Besseren belehrt.
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