laut.de-Kritik

Wildes Indie-Rock-Theater in zwei Akten.

Review von

Einen kompletten Stilwechsel zu vollziehen, bevor auch nur das Debütalbum auf den Markt kommt - für Oscar Lang kein Problem. Auf seinen bisherigen EPs - alleine drei davon im letzten Jahr - probierte sich der 21-jährige Brite immer wieder neu aus, jedoch nicht willkürlich, sondern mit einer sich immer weiter formenden Tendenz. Während seine Anfänge noch im selbstproduzierten Lo-Fi-Bedroom-Pop lagen, veränderte er im Laufe der Jahre hier und da immer wieder ein paar Kleinigkeiten an seinem Sound, um sich nach und nach von seinen ursprünglichen Wurzeln in eine immer rockigere Richtung zu entwickeln.

Mit dem Release seines letzten Kurzspielers "Antidote To Being Bored", schien er sich dem psychedelischen Indie-Rock dann endgültig in vollem Umfang hinzugeben - und in seiner Komfortzone angekommen zu sein. Dass jetzt sein erstes Album "Chew The Scenery" genau da weitermacht, sollte keine große Überraschung darstellen. Um zusätzlich auch noch ein kleines Konzept - oder zumindest den Versuch eines Konzepts - im Rahmen der LP einzubauen, soll es Oscars Vorstellung nach sogar einer Theatervorstellung gleichen, die mit dem Opener "Our Feature Presentation", seinen harten Drums und einer Kinderkarrussell-Lokomotivhupe ihren Vorhang für eine kunterbunt wilde Show öffnet: "And now, ladies and gentlemen / Our feature presentation / Oscar Langs debut album".

Der erste Akt des Projekts beginnt mit "21st Century Hobby", einem melodischen Indie-Rock Mischmasch aus Akustik- und E-Gitarren, das gleichzeitig auch das musikalische Leitmotiv der Platte festlegt: Viele Gitarrenarbeit und das möglichst eingängig und leicht verdaulich, was an sich natürlich auch nichts Verwerfliches ist. Was bei diesem Ansatz nur etwas zu kurz kommt, ist die Experimentierfreudigkeit. Diese beobachtet man nur an vereinzelten Stellen, vor allem dann, wenn Oscar auch Einflüsse anderer KünstlerInnen mit Elementen seiner DIY-Zeit kombiniert.

So leitet er "Yeah!" mit einem verspielten 8-Bit-Loop in altbekannter Lo-Fi-Ästhetik ein, der wenig später von Vinyl-Scratching, erneut krachenden Drums, verzerrten Vocals und einer noch verzerrten Bass-Line Schützenhilfe erhält. Man kommt nicht um den Gedanken herum, dass er sich an dieser Stelle von Musiker, Meme-Lord und Internetclown Oliver Tree sowie dessen Album "Ugly Is Beautiful" inspirieren lassen hat.

Auch wenn die restlichen Songs der ersten Hälfte keine großen musikalischen Innovationen offenbaren, zeigen sie, dass der Londoner ein wunderbares Gefühl für Melodien und Harmonien mit Ohrwurmpotential entwickelt hat. Mit dieser Fähigkeit lässt er seinen alten Homestudio-Charme genauso wie die verschiedenen Phasen seiner bisherigen Karriere zusammen mit seinem Produzenten Rich Turvey klanglich in Songwriting und Produktion einfließen.

Oscars Hommage an seine "Headphones" macht allein schon mit ihrem Opening-Riff sofort Lust auf mehr, woraufhin man von einem groovigen Psych-Rock-Ambiente wie zu Tame Impalas besten "Innerspeaker"- und "Lonerism"-Zeiten auch nicht enttäuscht wird. "I Could Swear" hinkt qualitativ im Vergleich etwas hinterher, bringt mit seiner elektrisierenden Melodie allerdings jeden Kopf zum Nicken, wohingegen "Stuck" als dröhnendes Gitarren-Verzerrungsmassaker sogar schon den ein oder anderen Headbang provozieren könnte.

Mit der Pianoballade "Write Me A Letter" wirft Oscar sogar noch einen unerwarteten Ruhemoment ein, ehe das Interlude "Intermission" den ersten Akt beendet. Achja genau, da war ja was. Wenn man das Theaterkonzept an dieser Stelle schon wieder vergessen haben sollte, liegt es höchstwahrscheinlich daran, dass es außerhalb des Openers und des Interludes weder lyrische noch musikalische Hinweise und Referenzen auf die Rahmenhandlung gibt.

Textlich ändert sich auch in der Folge nichts daran, die Geschichten bleiben nach wie vor eine eher thematisch willkürliche Kollektion an verschiedenen Gefühlen und Erlebnissen im Leben eines Jugendlichen. Mit einem zusammenhängenden Theaterstück hat das eher weniger zu tun. Musikalisch vermittelt die zweite Hälfte der Platte - oder der zweite Akt, wie man es sehen will - nach der kurzen Pause allerdings tatsächlich eine andere Atmosphäre und bringt einen beachtlichen Unterschied hervor, der wie ein Auftakt zu etwas Neuem wirkt.

Die wirklich harten Krawalltöne verschwinden komplett, alles wird zunehmend gemächlicher und nostalgischer. Selbst der vermeintlich härteste Song des Abschluss-Line-Ups, "Take Time Out", begleitet die Thematik des Erwachsenwerdens und Fehlermachens mit vergleichsweise gemächlichen Rhythmus- und Lead-Gitarren, die auch die ideale Untermalung für einen Roadtrip wären.

"Are You Happy?" schraubt noch einen Gang zurück und rutscht mit seinem zusätzlichen Synth-Einsatz sogar mehr in Richtung Pop als Rock, womit Oscar an andere Indie-Kollegen wie Dayglow oder Wallows erinnert. Wenn dann in "Quarter Past Nine" sowie dem atmosphärischen und emotionalen "Final Call" auch noch erstmalig Streichersätze ins Spiel kommen, stehen alle Zeichen bereits auf Abschied.

So beendet Oscar mit einer passenderweise "Thank You" betitelten Pop-Rock-Hymne wenig später auch seine erste umfangreiche Vorstellung mit einem von Bitterkeit befreiten Trennungssong, der in seiner beabsichtigten Doppeldeutigkeit auch ein Dankeschön und Auf Wiedersehen an seine Fans darstellt. Was bleibt ist ein Debüt, dem nur noch der letzte Funke an Überraschung, Waghalsigkeit und Experimentierlaune fehlt, um das vorhandene Potential in eine ganz große und rundum stimmige Rock-Show zu verwandeln.

Trackliste

  1. 1. Our Feature Presentation
  2. 2. 21st Century Hobby
  3. 3. I Could Swear
  4. 4. Stuck
  5. 5. Yeah!
  6. 6. Headphones
  7. 7. Write Me A Letter
  8. 8. Intermission
  9. 9. Are You Happy?
  10. 10. Quarter Past Nine
  11. 11. Take Time Out
  12. 12. Final Call
  13. 13. Thank You

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Oscar Lang – Chew the Scenery €12,82 €3,00 €15,82

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Oscar Lang

Auf die Frage, wie er seinen Sound und seine Musik beschreiben würde, hat Oscar Lang in einem Newcomer-Interview mit NME eine sehr konkrete Antwort: …

Noch keine Kommentare