laut.de-Kritik
Wie ein Grundkurs in Tontechnik.
Review von Philipp KauseDer Strand-Vibe überwiegt bei Pachyman, dem puertoricanischen Kalifornier mit der Liebe zum jamaikanischen Dub. Auf "Another Place" entführt der Homestudio-Selfmademan, abgeschottet von der Westcoast-Sonne in seinem Keller, virtuell an verschiedene Orte. Schon "Calor Ahora" stillt Fernweh, Pachy García profitiert von seiner spanischen Muttersprache. Derlei Lounge-Elektronik kommt meist auf Englisch daher, und sticht daher heraus.
"Take Me To Dance" hat dagegen kaum Tanz-Appeal. Wenn überhaupt, dann ruft das Stück mit seinen "Café Del Mar"-Grooves Ibiza in den 90ern oder 2000ern auf den Plan - leider nicht frei von Klischees. Den Vibe der Stadt "Berlin" trifft der Künstler im gleichnamigen Tune ebenfalls nicht, zeichnet sie farblos und blass, als banale Standard-Kulisse. Zu seiner Wahlheimat Los Angeles fällt ihm mehr ein, "Hard To Part" sei von den jüngsten kalifornischen Waldbränden inspiriert. Gleichzeitig übt die Metropole eine magische Anziehung aus.
Latino-karibisch geprägt, kam García zu ATO Records, wo es mit SOJA sogar einen Rasta-Act gibt. Dabei interessierte Pachyman stets der technische Aspekt der One Drop-Beats: Wie er auf Spulen-Geräten mehrere Instrumente nacheinander analog einspielt und diese Spuren von den Magnetbändern im Anschluss gleichzeitig abspielt, live loopt, ineinander mischt und somit eine Art unwiederholbares Session-Master-Band erstellt - ähnlich wie ein DJ, der live bei einem Auftritt mit Vinyl scratcht.
Mittlerweile hat sich Pachyman angesichts einer hohen Nachfrage nach Liveauftritten aus praktischen Gründen teil-digitalisiert, um seine Show auch auf der Bühne umsetzen zu können. Dafür waren seine nur 15 Minuten kurzen Tonbänder nicht geeignet. Den grundsätzlichen Charakter der Dub-Musik aus dem Hause Black Ark in Kingston behielt er aber bei und frönt nostalgisch den Pioniertaten seiner Heroen aus den Siebzigern und frühen Achtzigern.
Allein: Das klappte schon mal besser. "Another Place" bietet zwar ein paar Highlights wie die entspannten Twang-Gitarrenschleifen samt Schlagzeug-Dub-Gedribbel in "In Love" oder das minimalistische Warp-Gefrickel und vehemente Bounzen. Im Pressetext bezieht er sich immerhin auf den Warp-Act Boards Of Canada. Die semi-interessante, aber auch nicht störende Stimme fügt sich ebenfalls stimmig in die Broken Beats des Titelstücks ein. Süßlich-eingängige Melodie gebettet in ein Umfeld harter Konturen.
Allerdings treibt er es mit jeder Wiederholung des Lead-Motivs zu weit, denn der Reggae-Electro erinnert allzu sehr an Nightmares On Wax, in "ADSH" nahtlos fortgesetzt. Die Quietsche-Keyboards strapazieren eine gut eingeleitete Idee und reiten sie tot. Die Beiläufigkeit von "Berlin", das Repetitive und Reduzierte von "Take Me To Dance", das stereotype Funk-Getrommel in "Calor Ahora" zu einer Gitarre, die Jamiroquai gut fänden - vieles hier strotzt vor Ambivalenz. Gute Ansätze, die aber in Warteschleifen-Gedudel abgleiten.
Der bebrillte Mann auf dem 1970er-Hochflor-Teppich, der in einen ausgeschalteten Fernseher der 1960er guckt, der auf einem ebenso alten Tisch steht - ungefähr so wie diese Szene aus einem Möbelhaus-Katalog sieht nicht nur das Cover aus. Auch der Sound der Scheibe hört sich ähnlich an. Einzelne Tracks werden als Teil von Playlisten ein paar Wochen überleben, das Album als Ganzes dürfte bald vergessen sein.
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