laut.de-Kritik
Neue Musik für die Bilder im Kopf.
Review von Dani FrommAls "Musik für die Bilder im Kopf" feierte die Kritik Patrick Winds "Elements", den Urheber selbst als "Alan Parsons des 21. Jahrhunderts". Nun, um an dieses Vorbild heran zu kommen, fehlt es insbesondere an einem: an Produktivität. Zwischen zwei Teilen einer als Trilogie angekündigten Reihe satte fünf Jahre verstreichen zu lassen, das stellt schon hohe Erwartungen an die Geduld der Fans.
Andererseits sollte man möglicherweise Nachsicht üben, schließlich will gut Ding seit jeher Weile haben, und Patrick Wind tröstet mit seinem zweiten Trip durch abwechslungsreiche Klanglandschaften über die Dürreperiode hinweg. Gestaltete es sich bereits bei seinem Erstling schwierig, dem Kind einen Namen zu geben, stellt sich eine Einordnung in gängige Genre-Schubladen auch hier als schier unmöglich heraus. Elemente (haha!) aus Ambient, Electronica und Trip Hop verbinden sich mit einer guten Portion Weltmusik und schnödem Pop zu einer Melange, die sich einer Klassifizierung erfolgreich entzieht.
Das doch arg Poppige mancher Nummern bildet eine der beiden Ursachen, die mir zwar lange kein saures Aufstoßen, so aber doch einen dezenten Rülpser entlocken. Nachdem mich in "Ashandi" York aus der Jazzkantine mit wie aus großer Entfernung herüber gewehter Flöte und Bernd Konrad mit seinem unvergleichlichen, Gänsehaut generierenden Saxophonspiel (dessen Live-Genuss ich jedem, der auch nur einen Hauch Gespür für Musik mitbringt, gar dringend ans Herz gelegt wissen möchte) in schier endlose Weiten entführten, denen Malek Mansour Motamed Afsharis mitreißend gesprochene Zeilen faszinierende exotische Fremdheit einhauchen, tönt ein hübscher, unaufdringlicher, simpel gestrickter Lovesong wie "Thousand" trotz, nein, gerade wegen seines Ohrwurm-Charakters schlicht banal.
Ein Umstand, den unter Garantie die Dürftigkeit der Texte mit zu verantworten hat - womit wir meinen zweiten Kritikpunkt am Wickel hätten. Mit Ausnahme des tief in Soul und Funk getunkten "Lies", in dem sich Kojo Attafua am Telefon eine Unterredung mit dem immer noch mächtigsten Mann der Welt liefert (über geklärte oder ungeklärte Samples möchte ich in diesem Zusammenhang nicht einmal spekulieren), gestaltet sich die gebotene Lyrik doch eher dürftig.
Angesichts vieler schöner Momente seien diese kleinen Schwächen jedoch vergeben. Patrick Wind kombiniert in stellenweise faszinierender Weise Organisches mit maschinell klingenden Sounds, verleiht altvertrauten, traditionellen Tönen und Geräuschen regelmäßig einen frischen Dreh, ohne dabei ihren Charakter zu beschädigen.
In "Elements", das überdeutlich Bezug auf den ersten Teil nimmt, korrespondieren über ausgesprochen funky geratenem Bass Melodien, die vorgegeben und immer wieder aufgegriffen werden, vortrefflich. "Maschinenraum" lässt vor dem inneren Auge geradezu Rammstein-formatige Pyrotechnik auflodern, während sich eine klagende Violine den Weg durch technoiden Bombast bahnt. Eine Renée Rousseau darf meinetwegen ohnehin singen, was sie möchte: Konfrontiert mit solchem Gesang besteht stets das Risiko, sich eine staunende Gesichtslähmung einzufangen.
Patrick Manzecchis Drums verleihen "Cold" den Herzschlag, über den sich vor sich dunkel zusammenballendem Hintergrund überraschend zarte Frauenstimmen erheben. Im melancholisch-melodischen "Birdman" kontrastiert das helle Organ eines Homayoun Motamed Afshari eine Performance von Big Reggie, die Erinnerungen an frühe Spearhead-Tracks wach ruft.
In "Spacetime" schließlich holt Anne Clark den ollen Einstein wirkungsvoll entstaubt aus der Mottenkiste, bevor "Farough", wieder mit Unterstützung Bernd Konrads, einen intensiven, fast meditative Ruhe verströmenden Schlusspunkt setzt, der gleichzeitig die Startbahn für die noch ausstehende dritte Runde im "Elements"-Zyklus bildet. Wir sprechen uns - hoffentlich nicht erst wieder in fünf Jahren.
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